Grenzen des Globalbudgets
Mit der Einführung der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung im Jahr 2006 gab das Stadtparlament die «traditionelle» Steuerung der Verwaltung mittels eines detaillierten Budgets auf. Die Arbeitsweise, Strukturen sowie Instrumente des Stadtparlaments wurden neu ausgestaltet, mit dem Ziel, die theoretischen Vorteile des Ansatzes in die Praxis umzusetzen. In den letzten Jahren wurde aus den Reihen des Stadtparlaments aber immer wieder Kritik am Globalbudget geäussert, so dass sich die Frage aufdrängt, ob die Umsetzung der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung in Winterthur gescheitert ist.
Hintergrund zum Globalbudget
Was vor mehr als zwei Jahrzehnten im Rahmen einzelner Pilotbetriebe startete, wurde 2006 nach einem Beschluss des Grossen Gemeinderats flächendeckend in Winterthur eingeführt: Die «wirkungsorientierte Verwaltungsführung», kurz WoV. Das Konzept entstammt dem «New Public Management» (NPM), das in den 1990er Jahren Lösungen für immer grössere öffentliche Defizite und zunehmende bürokratische Hürden suchte.
Mit der Einführung der WoV gab das Stadtparlament die «traditionelle» Steuerung der Verwaltung mittels eines detaillierten Budgets auf. Fortan wurden die verschiedene Bereiche der Verwaltung in Produktegruppen (PG) unterteilt, wobei das Parlament für jede PG eine Zielsetzung und ein Globalkredit beschliessen konnte. Auch die Arbeitsweise, die Strukturen sowie die Instrumente des Stadtparlaments wurden so neu ausgestaltet. Umgangssprachlich wird heute einfach vom «Globalbudget» gesprochen.
Weshalb hat man das Globalbudget überhaupt eingeführt?
Hintergrund der Entscheidung, die WoV einzuführen, war die Absicht, nicht einfach Geld an die Ämter zu verteilen, sondern auch die Leistungen der Verwaltung zu bestimmen. Vereinfacht gesagt wollte das Parlament nicht mehr über jede einzelne Ausgabe entscheiden müssen, sondern vielmehr darüber, was von der Verwaltung «angeboten» wird, in welcher Qualität und zu welchem Preis. Erstmals rückt so auch das Ergebnis der Tätigkeit der Verwaltung ins Visier des Parlaments, wovon im «traditionellen» Budget keine Rede war.
In der Theorie hat der Wechsel vom traditionellen Budget zur Wirkungsorientierten Verwaltungsführung dann auch zahlreiche Vorteile. So soll es die strategische Steuerung und die Handlungsfreiräume der Verwaltung erhöhen, das betriebswirtschaftliche Denken fördern (es muss kein Restbudget «aufgebraucht» werden) und zu einer grössere Bürger und Kundenorientierung führen. HSG-Professor Kuno Schedler, der viel zum NPM-Konzept forscht, hält dann auch folgendes fest: «Leistungsauftrag und Globalbudget sind im Rahmen der Planung und Steuerung nicht nur ein vollwertiger Ersatz für den detaillierten Voranschlag, sondern sie bringen eine neue Qualität, die es zu nutzen gilt».
WoV in der Praxis
Schaut man sich die Umsetzung der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung in Winterthur genauer an, drängt sich die Frage auf, ob diese Qualität auch wirklich genutzt wird. Immer wieder hört man Kritik aus den Reihen der Parlamentarier und Parlamentarierinnen, die die Umsetzung des Globalbudgets bemängeln. Eine, die es wissen muss, ist die ehemalige Winterthurer Stadträtin Yvonne Beutler. An einer HAW-Diskussionsrunde im letzten Jahr bezeichnet sie die Rechnungsbücher als «Albtraum» und stimmt HAW-Präsident Thomas Anwander zu, der die von der Stadt zur Verfügung gestellten Budget-Unterlagen als sehr benutzerunfreundlich beschreibt. Beutler, die selbst im Winterthurer Parlament tätig war, als der WoV-Ansatz eingeführt wurde, bemängelte nicht das Konzept der WoV, sondern die Umsetzung: «Man kann nicht auf der einen Seite allgemeine Ziele vorgeben, um dann auf der anderen Seite die Menge an Bleistiften vorschreiben, die dazu verwendet werden darf». Auch Peter Grünenfelder, Direktor von Avenir Suisse und Kandidat für den Zürcher Regierungsrat stimmt Beutler in diesem Punkt zu. «Das Grundkonzept, ist nicht gescheitert. In der Praxis verharrt man aber noch zu fest in alten Denkmustern, die zu extensiven Auswüchsen führen».
Winterthur nicht alleine mit Kritik
Ein Blick über die Stadtgrenzen hinaus zeigt, dass das Globalbudget nicht nur im Winterthurer Stadtparlament für Kritik sorgt. Verschiedene Kantone und Städte, darunter die Kantone Zürich, Bern und Aargau und die Stadt Baden haben Evaluationen ihrer Budgetprozesse durchführen lassen. Dabei wurde wiederholt festgestellt, dass die WoV eine grosse Herausforderung für die Milizparlamentarier und Parlamentarierinnen darstellt. So heisst es zum Beispiel in der Evaluation des Kantons Zürich: «Vor allem in Bezug auf parlamentarische Arbeit im WoV-System muss das Milizparlament im Sinne des Erwerbs und Vertiefung von Grundkenntnissen professionalisiert werden.» Auch Professor Schedler stellte in seiner Evaluation des Globalbudgets fest, dass die Informationsasymmetrie zwischen Parlament und Verwaltung zu einer paradoxen Situation führt, «in der die betroffenen Parlamentsmitglieder zwischen Informationssucht und Informationsflucht hin und her schwanken. Die Berichterstattung der Verwaltung an die Parlamente ist gleichzeitig so ausführlich und detailliert, dass es für Milizparlamente schier unmöglich ist, sich in der Datenfülle zurecht zu finden.»
Wie weiter?
Vor dem Hintergrund der alljährlichen Budgetdebatten im Stadtparlament stellt sich deshalb die Frage, wie Winterthur den Budgetprozess verändern kann. Für die HAW steht fest, dass die Erwartungen an die Politik zu hoch waren (nicht-finanzielle Informationen sind zu umfassend und zu komplex für Milizparlamente). Es zeigt sich, dass insbesondre auf der parlamentarischen Ebene Vereinfachungen der Steuerungsmechanismen erforderlich sind, da oft ein Sachverständnis voraussetzt wird, welches bei einem Miliz-Parlament kaum vorhanden ist und sich nur durch grossen Aufwand erarbeiten lässt. In der Praxis führt das WoV-System dazu, dass das Stadtparlament seine Einflussmöglichkeiten zu wenig wahrnehmen kann. Es ist wünschbar, dass sich das Winterthurer Stadtparlament nebst der operativen Budgetdebatte auch mit der strategischen Frage auseinandersetzt, wie das geltende System für eine bessere Kontrolle angepasst werden kann und mit welchen politischen Vorstössen dies erreicht wird.
Das Globalbudget setzt die Bereitschaft der Verwaltung und Stadträte voraus, konstruktiv mit den Inputs/ Vorgaben des Parlaments umzugehen und umzusetzen. Ziele und nur die „grobe“ Richtung der Massnahmen sollte durch das Parlament erfolgen.
Leider will der SR zu oft konkrete Massnahmen um dann deren Unmöglichkeit zu kritisieren.
Wenn dem SR die vorgeschlagenen Massnahmen nicht zusagen wird er passiv und sucht nicht nach Alternativen. Die Budgetkürzungen des Parlaments waren immer unter 0,3% und damit marginal. Zusammengefasst: Wirkungsorientierte Verwaltung ist gut, darf durch die Verwaltung aber nicht bürokratisch und kleinlich erschwert werden.
Sehr geehrter Herr Schipp
Es geht um Transparenz, Kostenkontrolle und Führung und nicht um die Fähigkeiten der ParlamentarierInnen. Mangelnde Transparenz und Verantwortlichkeiten verhindern eine effiziente und strategische Führung mit Zahlen. Follow up folgt.
Was in aller Welt ist so kompliziert in der Verwaltung, dass es das Parlament nicht versteht? Gibt es dazu Beispiele? Oder ist es die Verwaltung, welche bewusst Sachverhalte unnötig verkompliziert und das Parlament (und das Volk) vorführt? Oder sind die vom Volk gewählten Parlamentarier (m/f/d) nicht Matur genug, um die Sachverhalte der Verwaltung zu verstehen und zu überwachen?
Ihr Kommentar