13.11.2021

Winterthurer Gewerbe zur Klimaabstimmung: Ja, aber die Überholspur muss es nicht sein

Welche Klimaschutzmassenahmen getroffen werden sollen und vor allem wie schnell, darüber teilen sich im Vorfeld der Abstimmung vom 28. November die Meinungen. Bei der Umsetzung wird entscheidend sein, ob Innovation wirklich gefördert oder die Wirtschaft mit Vorschriften geschwächt wird. Stadträtin Katrin Cometta und Unternehmer Truls Toggenburger nennen Argumente für die Optionen Netto-Null bis 2040 bzw. 2050.

Gut gemeint ist manchmal das Gegenteil von gut: Wenn nach einem Ja am 28. November die falschen Massnahmen getroffen werden, entstehen dem Wirtschaftsstandort Winterthur grosse Nachteile. Ein Beispiel: Truls Toggenburger, Geschäftsführer des Winterthurer Bau-Logistikers Toggenburger AG und Vertreter der HAW, sagt: «Wir sind auch im Thurgau und Aargau unterwegs. Für uns wäre es ein Riesenproblem, wenn wir irgendwann im Raum Winterthur nur noch mit E-Lastwagen fahren dürften, während Konkurrenten aus anderen Kantonen mit anderen Auflagen fahren.» Solche Beispiele gäbe es für viele Industrien zu Hauf, und gerade bei internationalen Firmen wie Rieter, Sulzer und Co. könnten solche Auflagen den Wettbewerb stark verzerren. «Klimaschutz ist uns sehr wichtig, unter anderem setzen wir schon jetzt auf PV-Anlagen, CO2 reduzierte Betone und beschränken die Nutzung fossiler Energiequellen so stark wie möglich.» Aber der Markt müsse fair bleiben, man dürfte auf keinen Fall ein «Inseldasein» schaffen mit Massnahmen, die vor den Toren Winterthurs nicht mehr gelten: «So schwächen wir unsere Wirtschaft massiv, und das nützt niemandem. Kongruent zum Pariser Klimaabkommen unterstützen wir Netto-Null bis 2050.»

Die grünliberale Stadträtin Katrin Cometta unterstützt hingegen beide Abstimmungs-Optionen und hofft in erster Linie auf Netto-Null bis 2040: «Der Stadtrat wünscht sich den Beschluss eines ehrgeizigen Zieles. Das gäbe auch Planungs- und Investitionssicherheit.» Sie betont vor allem die Chance dahinter: «Ziel sind zukunftsweisende Investitionen, neue technische Lösungen und nicht Verbote. Ich bin überzeugt, dass der Markt langfristig handelnde Unternehmen belohnt, die in Klimaschutzfragen innovativ sind.» Eine Verzerrung des Wettbewerbs sei auch nicht im Sinne des Stadtrats, der sich gesunde, prosperierende Unternehmen wünsche. Das Argument, dass der Winterthurer Beitrag zum Weltklima klein wäre, lässt die Stadträtin nicht gelten: «Das ist eine Haltungsfrage. Wir stehen alle in der Verantwortung, Städte machen mehr als 75% des globalen CO2-Fussabdrucks aus, auch wir Winterthurer stossen überdurchschnittlich viel aus. Winterthur hat die Chance, jetzt mit gutem Beispiel voranzugehen.» Zudem findet Cometta: «Rasche Klimaschutzmassnahmen sind alternativlos. Wir sehen bereits heute, wie hoch die Kosten der Klimaerwärmung sind, und diese werden drastisch steigen, gerade, wenn wir nicht schnell etwas tun.»

Ob nun 2050 oder 2040: Mit symbolischen Massnahmen, die gut tönen, aber wirtschaftlich kaum umsetzbar sind, erreiche man nichts und schwäche das lokale Gewerbe, so Toggenburger. Massnahmen in den Bereichen Energieeffizienz und Verkehr hätten zwar grossen Einfluss auf den CO2-Ausstoss, doch abhängig von der Branche seien sie leichter oder schwerer umsetzbar. «Auf keinen Fall dürfen wir allen Unternehmen die gleichen Massnahmen aufbrummen. Wir brauchen auf die Industrie abgestimmte Massnahmen, die in Zusammenarbeit mit Fachexperten ausgearbeitet werden», so Toggenburger. Die Handelskammer schlägt einen Steuerungsausschuss mit je zwei Vertretern der Stadt, der Wissenschaft und der Wirtschaft, vor. Auch Cometta sagt: «Wir sind ganz klar für den offenen Dialog mit allen Beteiligten.»

Auch die Verwaltung wäre von einem Ja betroffen: Im Massnahmenplan 2021-2028 zum Energie- und Klimakonzept 2050 wird von jährlichen Kosten von CHF 4-5 Mio. ausgegangen, Wo dafür im CHF 1.35 Mrd-schweren Gesamtaufwand der Verwaltung gestrichen wird, ist indes noch offen – das lokale Gewerbe erwartet, dass diese Kosten nicht über die lokalen Steuern abgewälzt werden.

Red/ms

Urs Fries 18.11.2021, 16:27

Es ist selbstverständlich, dass wir Massnahmen ergreifen, um die Luft - im internationalen Vergleich - noch sauberer zu halten und gleichzeitig das von uns erzeugte CO2 zu reduzieren. Wenn wir in Winterthur, in der Schweiz, ja in ganz Europa, was sowieso kaum möglich ist, 0 menschengemachtes CO2 erreichen, wird sich an der Entwicklung des weltweiten Klimas ob 2030, 2040 oder 2050 nämlich nichts ändern. Allein in China sind mehr als 200 neue Kohlekraftwerke im Bau. Indiens Kohlekraftwerke erzeugen dort zwei Drittel des Stroms. Im Rahmen des Corona-Wiederaufbauprogramms hat die Regierung gerade die Erschliessung von 40 neuen Kohlegruben beschlossen. Coal India baut im ganzen Land neue Kohlekraftwerke, schon jetzt sind 280 davon in Vollbetrieb.
Diese Länder erzeugen billigen Kohlestrom für ihre Industrie und überfluten uns dann mit billigen, aber gleichzeitig hochwertigen Produkten. Besonders Deutschland wir in Bredoullie geraten mit dem gleichzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie und dem Umbau der Kohlekraftwerke in Erdöl-Kraftwerke, was in meinen Augen sowieso wenig Sinn macht und Abhängigkeiten schafft, die schwer wiegen könnten (Putin, Lukaschenko).
Wir müssen uns neben den materiell verträglichen Klimaschutzmassnahmen unbedingt jetzt schon für die möglichen Auswirkungen vorbereiten, welche durch extreme klimatische Ereignisse entstehen könnten. Aus dieser Sicht kann ich die Wiesendanger nicht verstehen, welche einen Hochwasserschutz abgelehnt haben. Ebenso dringend für unser Land wäre der Ausbau der erneuerbaren Energie. Der Stromverbrauch wird steigen (Elektromobilität, Klimaanlagen). Wasserkraft und Sonnenkollektoren sind angesagt. Windräder können/müssen wir hier wohl vergessen. Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass dem Neubau der Grimsel-Staumauer, der bereits begonnen hat und 23m höher gebaut werden soll, immer noch so viel Widerstand entgegen schlägt. Wenn wir konkurrenzfähig bleiben wollen, brauchen wir genügend und preisgünstigen Strom (und fragliche Einrichtungen, die wie z,B. Bitcoin, das allein soviel Strom im Jahr braucht wie die ganze Schweiz, müssten ebenfalls kritisch betrachtet und, nebenbei bemerkt, mindestens wie das Bankwesen reguliert werden.

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