17.02.2025
Canva HAW/Forum

«Nein, der Wilde Westen passt nicht zur Demokratie“

Die Rede des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance an der Münchner Sicherheitskonferenz hat grosse Wellen geschlagen, ebenso der Kommentar unserer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter, die darin schweizerische Werte erkennen wollte. Vance hat Recht, wenn er davon spricht, dass wir Europäer in der Sicherheitspolitik mehr Verantwortung übernehmen müssen. Dies gilt auch für die Schweiz. Ohne eine glaubwürdige Landesverteidigung sind all die schönen Bekenntnisse zur Neutralität nicht glaubhaft.

Wenn Vance aber behauptet, Russland sei keine Gefahr für Europa, ist dies schlichtweg falsch. Russland hat die Ukraine angegriffen. Kein Land hat das Recht, ein anderes Land anzugreifen und ihm Land und Bevölkerung wegzunehmen. Dies gilt für Russland, aber auch für die USA, die keinen Anspruch auf den Panama-Kanal, Grönland, Gaza oder Kanada haben. Gerade kleinere Staaten sind darauf angewiesen, dass nicht das Faustrecht gilt, sondern grundlegende und bewährte Rechtsprinzipien. Ich hätte von unserer Bundesrätin eine Aussage erwartet, wie sie sicherstellen will, dass die Schweiz ihren Beitrag zur Sicherheit in Europa leistet.

Ohne freie Meinungsäusserung gibt es keine Demokratie. Zensur ist immer falsch, insbesondere wenn der Staat glaubt, kontrollieren zu müssen, was seine Bürger und Bürgerinnen sagen und lesen dürfen. Hier gehe ich einig mit dem amerikanischen Vizepräsidenten. Mit dem Internet und den Sozialen Medien hat sich aber das Spielfeld verändert und es braucht neue Regeln. Es kann nicht sein, dass Musk oder Zuckerberg bestimmen, was wir veröffentlichen oder lesen dürfen. Es darf auch nicht sein, dass man ungestraft Mitmenschen in den Sozialen Medien beleidigen und verletzen darf. Es muss selbstverständlich grundlegende Regeln geben, soweit es um den Jugendschutz geht. Wir brauchen aber keine Behörden oder irgendwelche selbsternannten Zensoren, die uns sagen, was richtig oder falsch ist. Entscheidend sind vielmehr einfache und kostengünstige Rechtsverfahren, die es Personen, die in den Sozialen Medien auf eine unverhältnismässige Weise angegriffen werden, erlauben sich an ihrem Wohnort zur Wehr zu setzen.

Dass der amerikanische Vizepräsident gerade in Deutschland die Aussage machte, das Volk habe immer Recht, zeugt von wenig Respekt gegenüber der deutschen Geschichte. Von einem Juristen hätte ich zudem erwartet, dass er schon etwas mehr vom Wesen der Demokratie versteht. Die Grenzen der Demokratie liegen im Rechtsstaat. Gerade die Schweiz hat in ihrer Geschichte seit 1848 wichtige Prinzipen im Verhältnis zwischen Volksentscheiden und rechtlichen Garantien entwickelt, wie zum Beispiel die Gewaltenteilung, Schutz von Minderheiten im politischen Prozess, Schutz der Menschenrechte, Transparenz und nachvollziehbare Verfahren. Die aktuelle amerikanische Regierung scheint viele dieser Grundsätze auf die Seite zu schieben wollen, ganz nach dem Grundsatz «Alle Macht dem gewählten Präsidenten». Eine solche Art von Demokratie entspricht nicht der schweizerischen Tradition. Ich erwarte vom Bundesrat, dass er die schweizerischen Werte auch in der Aussenpolitik aktiv kommuniziert und verteidigt und nicht einfach aus falschen wirtschaftlichen Überlegungen Gedankengut wohlwollend zur Kenntnis nimmt, das im Widerspruch zu unserem Demokratieverständnis steht.

 

Thomas Anwander
Kantonsrat Die Mitte

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Thomas Bachmsnn 18.02.2025, 13:46

Ich teile Deine Äußerungen voll und ganz, Thomas.
Es braucht jetzt Mut, Entschlossenheit und Rückgrat, unsere demokratischen Werte zu äußern und zu verteidigen. Dazu müssen wir bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, unseren Beitrag zu leisten Indexen nötig, Opfer zu bringen.

Martin Holenweg 17.02.2025, 16:31

Danke Thomas für die klaren Worte, die ich vollumfänglich teile!

Philipp Angele 17.02.2025, 14:44

Lieber Thomas - ein guter Artikel, welcher auch mein Verständnis der Rechtspflege und Demokratie schützt. Der Wilde Westen ist eben nun mal der Wilde Westen. Deshalb ist unsere gelebte Neutralität über eine historisch traditionelle Rolle innerhalb Europas zu wahren. Auch unsere Rolle als Kleinstaat darf nicht uminterpretiert werden...

Stadtparlamentarier SVP

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