
Die Illusion der Budgetkompetenz des Parlaments
Eine wichtige Kompetenz der Parlamente ist der Entscheid über das Budget. Historisch gesehen haben die Parlamente dieses Recht den Monarchen abgerungen. Mit dem Entscheid über das Budget legt das Parlament fest, wofür der Staat Geld ausgeben und wo Prioritäten gesetzt werden sollen. Das Parlament legt aber auch fest, wie die staatlichen Ausgaben finanziert werden soll, über Steuern oder Gebühren und in welcher Höhe.
Traditionell hatten schon die absolutistischen Monarchen den Ehrgeiz, die Mitsprache des Parlaments in Finanzfragen zu beschränken oder sogar auszuschliessen. Eine Verhaltensweise, die auch heutigen Exekutiven nicht ganz fremd ist.
Gerade Winterthur ist ein gutes Beispiel, wie die Exekutive, sprich der Stadtrat, Mühe mit dem Budegtprivileg des Parlaments hat. In der Debatte zum Budget 2025 korrigierte das Stadtparlament mit deutlicher Mehrheit den Budgetvorschlag des Stadtrates und übte damit eine seiner wichtigsten Kompetenzen aus. Was machte aber der Stadtrat? Anstatt den Entscheid des Stadtparlaments zu akzeptieren und die Einsparungen umzusetzen, beschritt er den Rechtsweg mittels einer Aufsichtsbeschwerde. Mit diesem Vorgehen greift der Stadtrat direkt die Budgetkompetenz des Parlaments an und will dessen Recht, über die Eckpunkte des städtischen Haushalts zu entscheiden, beschränken, ganz in der Tradition früherer Monarchen. Es ist zu hoffen, dass die zuständigen Gerichtsinstanzen die traditionelle Rolle des Parlaments und ihr Budgetprivileg bestätigen und nicht die Macht der Exekutive unnötig ausdehnen.
Die Exekutive hat neben der Diskussion über die Kompetenzen des Parlaments im Rahmen der Budgetdiskussion ein noch viel wirksameres Mittel, die Budgethoheit des Parlaments zu unterwandern, indem Ausgaben einfach als gebunden erklärt werden und somit der Beschlussfassung des Parlaments, aber auch des Stimmvolkes entzogen werden.
Was versteht man unter gebundenen Ausgaben? Gemäss Definition des Bundesgerichts liegt eine gebundene Ausgabe vor, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Eine Ausgabe ist gebunden, wenn: - «sie durch einen Grunderlass prinzipiell und dem Umfang nach vorgeschrieben ist; - sie zur Erfüllung der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben erforderlich ist; - sachlich, zeitlich und örtlich kein erheblicher Entscheidungsspielraum bleibt».
Natürlich geht die Exekutive im Zweifelsfall immer davon aus, dass es weder einen sachlichen, zeitlichen oder örtlichen Entscheidungsspielraum gibt. Die vielen Strassenbauprojekte in der Stadt Winterthur zeigen exemplarisch, wie der Stadtrat den Grundsatz der gebundenen Ausgaben überstrapaziert. So werden bei diesen Millionenprojekten einfach etwa 50-70% der Ausgaben als gebunden erklärt und somit der Entscheidungskompetenz des Parlaments bzw. der Stimmbürger entzogen.
Gerade bei grösseren Investitionsprojekten macht die Aufteilung in gebundene und nicht gebundene keinen Sinn. Grundsätzlich müssen das Parlament und die Stimmbürger bei solchen Vorhaben über den gesamten Betrag entscheiden können. Wenn eine Exekutive den Begriff der gebundenen Ausgabe zu extensiv auslegt, kann man sich nur mit einer Stimmrechtsbeschwerde dagegen wehren. Leider ist dieses Verfahren aufwändig und wer sich gegen einen Entscheid der Exekutive wehren will, benötig grosses Fachwissen, um sich gegen die geballte Kompetenz der Verwaltung zu wehren. Auch hier ist wichtig, dass die zuständigen Gerichtsinstanzen im Zweifelsfall zu Gunsten der Finanzkompetenz der Parlamente entscheiden und dem Machtanspruch der Exekutive Grenzen setzen.
Thomas Anwander
Kantonsrat Die Mitte
Ihr Kommentar