03.04.2023
Winterthur Consulting Group AG

Es bleiben Hindernisse

Vor einem Jahr hat die US-Notenbank den ersten Zinsschritt gewagt. Seither sind die Zinsen in Amerika stark gestiegen, die Inflation ist aber kaum gesunken. Inflation kann hartnäckig sein und das ist keine gute Nachricht für die Finanzmärkte. Gute Konjunkturnachrichten führen zudem zu steigenden Zinserwartungen. Die Aktienmärkte reagieren darauf mit einer hohen Schwankungsbreite. Das bleibt wohl so, bis Inflation und Zinsen wieder im Gleichgewicht sind.

Trotz kriselnder Banken halten die Notenbanken in den USA und der Schweiz an Zinserhöhungen fest. Das Rauf und Runter an den Aktienbörsen verlangt nach dem richtigen Kompass. Die Weltpolitik und Weltwirtschaft sind im vergangenen Jahr aus dem Gleichgewicht geraten. Eine Korrektur wird nicht einfach und der Weg zurück zum Gleichgewicht wird steinig. Ohne einen deutlichen Inflationsrückgang können die Finanzmärkte nicht wieder durchstarten. Die Vorstellung, dass die Dinge in Staat und Gesellschaft im Gleichgewicht sein müssen, wenn sie gut geregelt sein sollen, stammt aus der griechischen Antike. Über den Philosophen Protagoras wird berichtet, er hätte das Prinzip des Abwägens von Günstigem und Ungünstigem in wirtschaftlichen und politischen Dingen zur Wissenschaft erhoben. Damit wurde die Ökonomie des Gleichgewichts als Wissenschaft im antiken Athen begründet. Gut geregelt sind nach diesem Massstab aktuell die politischen und wirtschaftlichen Dinge nicht. Die Weltpolitik ist durch den russischen Überfall auf die Ukraine und die mehr oder weniger offene Auseinandersetzung zwischen China und den Vereinigten Staaten um die Führungsrolle auf der Weltbühne aus dem Gleichgewicht geraten. Die Weltwirtschaft kämpft als Folge der jahrelang überexpansiven Geld- und Fiskalpolitik mit angestiegener Inflation. Auch Inflation, Zins und Wachstum befinden sich nicht mehr im Gleichgewicht. Letzteres wird besonders deutlich, wenn man auf das Verhältnis von Inflation und Zins schaut. Wir kennen kein Wirtschaftsmodell, das nachhaltig mit einer Situation zurechtkommt, in der die Inflationsraten dauerhaft über dem Zinsniveau liegen. 

Genau das ist aber in allen Industrieländern im Augenblick der Fall. Die Geldpolitik scheint durch den Inflationsanstieg überrascht worden zu sein und hat zu langsam auf diesen reagiert. Anders lassen sich die historisch tiefen Realzinsen nicht erklären. Aber nicht nur die Geldpolitik ist aus dem Gleichgewicht geraten. Auch die Finanzmärkte können mit der aktuellen Datenlage und der Kommunikation der Zentralbanken wenig anfangen. Ganz besonders krass ist das an den Obligationenmärkten in Amerika zu beobachten. Dort sehen wir, dass die Kapitalmarktzinsen deutlich unter den Geldmarktsätzen liegen. Eine solche als Inversion der Zinskurve bezeichnete Lage ist sonst nur typisch für die Erwartung einer Rezession. Im Gegensatz dazu erwarten aber weder der Obligationenmarkt selbst noch der Aktienmarkt einen starken Einbruch der Wirtschaft. Damit bleiben Wirtschaft und Finanzmärkte vorläufig in einer prekären Situation. Da ein schneller Rückgang der Inflation bei anhaltend starkem Konsum und starkem Arbeitsmarkt unwahrscheinlich ist, müssen wir also mit deutlich steigenden Zinsen rechnen. Auf dem Weg zum Gleichgewicht, dass zu einem neuerlichen Aufschwung und einer erneut positiven Finanzmarktentwicklung führen kann, sind für die Finanzmärkte und wohl auch für das Finanzsystem noch grosse Hindernisse zu überwinden.

Wir verfolgen die Situation eng und setzen die individuellen Strategien der Kunden um. Taktische Anpassungen nehmen wir auf Basis unserer eigenen Risikosignale vor.

 

Winterthur Consulting Group AG
Dr. Ralph Peterli / Rolf Gloor

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