05.12.2025 | Andrin Gross
Budget 2026: Wie Winterthur seine Verwaltung aufbläht
Winterthur steht vor grossen finanziellen Herausforderungen – das muss mittlerweile allen bewusst sein, die sich auch nur halbwegs mit der städtischen Entwicklung beschäftigen. Umso erstaunlicher ist es, wie sorglos die Stadtverwaltung weiterhin wächst. Das Gleiche gilt aber nicht für die Wirtschaft und die Bevölkerung. Und das Tempo, mit dem dies geschieht, passt so gar nicht zu den finanziellen Realitäten, die uns in den nächsten Jahren einholen werden.
Wachsende Verwaltung
Schauen wir, kurz vor der zweiten Parlamentsdebatte, auf die Fakten: Die Stadt ist in den letzten acht Monaten praktisch nicht gewachsen. Keine neuen grossen Quartiere, keine massive Zuwanderung, keine demografische Verschiebung, die plötzlich hunderte neue Jobs rechtfertigen würde. Trotzdem steigt die Zahl der städtischen Stellen weiter – und zwar nicht knapp, sondern in Bereichen, die ohnehin schon schwer zu durchschauen sind. Allein das Personalamt erhält im Budgetantrag 3,35 neue Stellen. Bei den Aufgabebereichen handelt es sich unter anderem um Digitalisierung, HR-Projekte und Applikationsbetreuung. Alles klingt wichtig – aber irgendwann stellt sich die Frage: Wenn wir für jede interne Optimierung neue Leute anstellen müssen, spart die Digitalisierung dann überhaupt Kosten? Angesichts des kürzlich gescheiterten IT-Projekts, welches Millionenschaden verursachte, wirkt dieser Stellenaufbau noch unverständlicher (NZZ, 2025).
Noch auffälliger wird es im Bereich Museen und Kulturinstitutionen: Hier sollen gemäss Urpsrungsantrag 7,76 zusätzliche Stellen dazukommen. Das ist kein Feinschliff mehr – das ist ein massiver Ausbau. Natürlich ist Kultur wichtig. Aber mitten in einer Phase, in der die Stadt in den kommenden Jahren wieder in die roten Zahlen rutschen wird, wirkt ein solches Stellenwachstum schlicht weltfremd.
Fehlende Effizienz
Dass eine Verwaltung wächst, ist grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. Aber es braucht eine Voraussetzung: Begründbarkeit. Und diese fehlt in vielen Fällen völlig. Die Stadt redet seit Jahren von Effizienzgewinnen durch Digitalisierung. Trotzdem schafft sie neue Stellen für die Umsetzung dieser Effizienzgewinne. Gleichzeitig steigen an anderen Orten die Beratungskosten weiter. Es entsteht der Eindruck, dass die Verwaltung gleichzeitig mehr externe Expertise einkauft und mehr interne Stellen schafft, ohne dass daraus ein erkennbarer Effizienzgewinn resultiert. Das ist kein Modernisierungsschub, sondern ein Aufblähen des Apparats.
Einseitiges Wachstum
Wenn die Bevölkerung wächst, ist es logisch, dass die Verwaltung gewisse Bereiche ausbaut – etwa Schulen, Sozialhilfe, städtische Dienste. Aber wenn die Stadt praktisch stillsteht, während gleichzeitig der Personalbestand hochfährt, zeigt das vor allem eines: Die Verwaltung wächst nicht, weil sie mehr leisten muss. Sie wächst, weil sie es kann. Und genau dort beginnt das Problem. Winterthur befindet sich faktisch in einer Phase, in der jeder Franken zweimal umgedreht werden müsste. Ab 2027 sind Defizite absehbar, nicht zuletzt wegen steigender Kosten in Bildung, Sozialem und Pflege. Trotzdem baut die Stadtverwaltung Stellen auf, als lebten wir in einer boomenden Metropole, nicht in einer mittelgrossen Stadt mit stagnierendem Wachstum.
Nötige Reformen
Bevor neue Stellen geschaffen werden, braucht es eine ehrliche Diskussion über Prioritäten. Über Effizienz. Über Eigenverantwortung. Und vor allem darüber, wie eine moderne Verwaltung aussehen soll, ohne jedes Jahr grösser, teurer und komplexer zu werden. Digitalisierung darf kein Synonym für neue Stellen sein. Kultur darf nicht unlimitiert wachsen, während andere Bereiche sparen müssen. Und eine Verwaltung darf nicht weiterwachsen, wenn die Stadt selbst es nicht tut. Winterthur braucht Mut zur Klarheit – nicht Mut zur nächsten Stellenschaffung.
Fazit
Das Budget 2026 zeigt eines deutlich: Die Verwaltung wächst, die Stadt nicht. Und langfristig kann das nicht funktionieren. Wenn Winterthur sich ernsthaft auf eine wirtschaftlich herausfordernde Zukunft vorbereiten will, muss es den eigenen Verwaltungsapparat kritisch hinterfragen – nicht erst 2027, wenn die Defizite sichtbar sind, sondern jetzt. Der Apparat darf nicht grösser sein als die Stadt, die er eigentlich unterstützen sollte.
In der ersten Parlamentsdebatte in dieser Woche hat sich eine parteiübergreifende Mehrheit gefunden, die Gegensteuer geben will. Hoffentlich bleibt dies auch in den Folgeberatungen so, denn die strukturellen Probleme sind gross und müssen nachhaltig gelöst werden.
Andrin Gross
Bachelor of Arts in Politikwissenschaften
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