Forum Winterthur

27.10.2025 | Lucia Angela Cavegn
Ausstellung «Nedko Solakov: Being Vallotton»

Being Vallotton, so der Titel der Ausstellung in der Villa Flora, zeigt den Künstler Nedko Solakov als grossen Bewunderer seines künstlerischen Vorbildes.

Betritt man die Ausstellung «Nedko Solakov: Being Vallotton», begegnet man zuerst einem grimmigen Selbstporträt Félix Vallottons aus dem Jahre 1908, just jenem Jahr, als das Sammlerehepaar Arthur und Hedy Hahnloser, den Künstler kennenlernten und ihn erstmals in die Villa Flora einluden, um ein Porträt von Hedy zu malen. Links neben dem Bilderrahmen, der Vallottons gemaltes Antlitz umfasst, schaut ein Stück Montagedraht hervor, als hätten die Techniker nachlässig gearbeitet. Auf dem Schattenwurf des Drahtes sitzt neckisch eine für Nedko Solakov typische Doodle-Figur. Eine ebensolche hat sich auf das Cover des Ausstellungsflyers eingeschlichen, wo sie in einem reproduzierten Bildausschnitt Vallottons an einen Baumstamm hängt und uns zuzuwinken scheint. Die Legende, hochkant angebracht, lautet: «This guy is not in the show, they didn’t let me do it on the painting.» 

Gemälde bekritzelt hat Nedko Solakov keine, dafür viel Wandfläche mit eigenhändigen Kommentaren versehen. Die direkt an der Wand angebrachten Texte sind integraler Bestandteil der raumgreifenden Installationen und funktionieren wie die Sprechblasen eines Comics. Halb versteckt hinter einem Radiator liest man: «all accents aigus in Félix’ name which I missed to add».

Auf Vallottons Selbstporträt folgt ein persönliches Statement des 1957 geborenen bulgarischen Künstlers – ein programmatischer Auftakt, denn die Ironie zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Ausstellung.

Ich liebe die Gemälde von Félix Vallotton, aber dies war keine Liebe auf den ersten Blick. Ich habe irgendwo ein Bild gesehen, den Namen des Künstlers gelesen und ihn dann vergessen, bis mir beim nächsten Bild der Name wieder einfiel, wobei ich mir immer noch nicht sicher bin, wie viele l's und t's er enthält.

Daher war ich begeistert, als ich diese Einladung erhielt, und nach mehreren Monaten Arbeit ist das, was Sie jetzt vor sich sehen, mein unbeholfener Versuch, in Félix Vallottons elegante Schuhe zu schlüpfen. Warum ich das tue? Weil ich immer noch dabei bin zu lernen, ein guter Künstler zu sein, das ist der Grund. Und ich bin auch am 28. Dezember geboren, wie Félix Vallotton, und wenn ich schon mit diesem reinen Zufall spiele, dann doch lieber mit Félix, denn der andere berühmte bildende Künstler, der ebenfalls an diesem Datum geboren wurde, ist Tatlin, und der ist, ehrlich gesagt, nicht so attraktiv und definitiv nicht so berühmt wie Denzel Washington, der Anführer des Born-on-December-28-Clubs.

Die Ausstellung «Being Vallotton» ist das Resultat einer unkonventionellen Auseinandersetzung Solakovs mit dem Schaffen des vor hundert Jahren verstorbenen Vorläufers und Vorbildes. Als Konzeptkünstler hat er vier Räume gestaltet, in denen eigene Werke auf jene Vallottons reagieren und dessen künstlerische Besonderheiten hervorheben. Beim grossformatigen Landschaftsgemälde «Vue d’Honfleur» (1910) pickt er einzelne Motive heraus – etwa ein in der Ferne mit einem Strich angedeutetes Schiff – und beginnt anhand dieser Geschichten zu erzählen, wie jene des englischen Schwimmers, der nach der Überquerung des Ärmelkanals wegen seiner mangelnden Französischkenntnissen von den Fischern zurückgewiesen wird: «Stories in detail seen from a really long distance». 

Die politisch-zeitkritische Komponente fehlt weder beim frühen Vallotton noch bei Solakov. Auf Vallottons Holzschnitt «La charge» aus dem Jahr 1892, der das Niederknüppeln eines Aufstandes durch Polizisten zeigt, antwortet Solakov mit einer Serie von kleinformatigen Schwarzweissbildern in Öl, die den Titel «Bulgarian (Elected) Criminal» trägt. An der Wand bringt er dazu seinen Kommentar an: «Inspired by FVs woodcuts, some scenes from Bulgarian political life – a century after his death».

Vallotton ist zudem bekannt für seine Akte, von denen eine ganze Reihe vor einigen Monaten in der Ausstellung «Illusions perdues» im Kunst Museum Winterthur Reinhart am Stadtgarten zu sehen war. Einer dieser Akte und die dazugehörige Studie «Figure nue couchée au bord de la mer» (1905) sind in der Ausstellung «Being Vallotton» zu sehen. Ihm gegenüber präsentiert Solakov seinen eigenen Versuch, einen sinnlichen Akt im Stil von Rubens zu malen («Being Vallotton #13a, 13b, 13c»), der jedoch, wie er selbst anmerkt, als unerotischer Akt im Stil Vallottons endet: «A nude that started as a passionate Rubenesque figure, but ended up as a Vallottonesque sexless naked subject, which, by the way, might be even sexier by today's standards».

Und dann gibt es noch Vallottons oft in der Villa Flora ausgestellte Interieur «Modèle assis sur le divan de l’atelier» (1906) mit den beiden an die Wand gelehnten Bildern. Sichtbar ist nur die Rückseite mit dem Keilrahmen. Solakov lüftet das Geheimnis der Vorderseiten mit einem augenzwinkernden «Maybe», das er auf dem Glas des Gemäldes anbringt.

Mit dieser Ausstellung wird bewusst an die Tradition des Sammlerhauses geknüpft, sich mit der Kunst der eigenen Zeit zu beschäftigen. So lautete denn auch das Motto von Hedy Hahnloser-Bühler: «Il faut vivre son temps». Spätestens seit seiner Teilnahme an der Biennale von Venedig (2007) und der documenta (2007 und 2012) gilt Nedko Solakov als einer der bedeutenden Vertreter der internationalen Gegenwartskunst.

Lucia Angela Cavegn

Ausstellungsdauer bis 1. März 2026
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