
14.10.2025 | Thomas Anwander
Winterthurer Illusion – die links-grüne Stadtentwicklung droht zu scheitern
Der jüngste Bericht Weidmann zur Priorisierung nationaler Verkehrsprojekte bis 2045 hat die Schwächen der städtischen Politik schonungslos offengelegt. Der Bahnhof Grüze Nord wird vom Bund nur in der tiefsten Prioritätsstufe geführt, der Ausbau der A1 verschoben – Winterthur spielt verkehrspolitisch im Bericht und in Bern keine Hauptrolle. Diese Einstufung ist weniger Ausdruck bundesrätlicher Ignoranz als vielmehr das Ergebnis einer kommunalen Politik, die sich zunehmend selbst isoliert.
Die links-grüne Mehrheit im Stadtrat hat über Jahre eine Verkehrspolitik verfolgt, die auf Symbolwirkung statt Substanz setzt. Die Förderung des Langsamverkehrs, die konsequente Einschränkung des motorisierten Verkehrs und die Fixierung auf verkehrsberuhigte Zonen mögen populär sein, doch sie verdrängen die zentrale Frage: Wie soll sich Winterthur wirtschaftlich weiterentwickeln und seine Steuerkraft stärken?
Während die Stadt gewachsen ist, stagniert ihre finanzielle Leistungsfähigkeit. Winterthur hat es versäumt, für Unternehmen attraktiv zu bleiben und neue Wertschöpfung anzuziehen. Die Folge ist eine zunehmende Abhängigkeit von Kanton und Bund bei der Realisierung grosser Infrastruktur- und Entwicklungsprojekten. Eigenständige finanzielle Akzente sind kaum mehr möglich.
Die Fixierung auf eine ideologisch gefärbte Verkehrspolitik bindet knappe Mittel in Projekte, die zwar klimapolitisch wohlklingend sind, aber kaum strukturellen Mehrwert schaffen. Der Preis dafür ist hoch: Eine Stadt, die ihre wirtschaftliche Basis vernachlässigt, verliert langfristig ihre Selbstbestimmung.
Dieser Verlust an Unabhängigkeit steht in einem auffälligen Widerspruch zur Rhetorik des Stadtrats. Wenn es um Themen wie den kommunalen Mindestlohn oder die kantonale Mobilitätsinitiative geht, pocht man lautstark auf die Gemeindeautonomie. Gleichzeitig muss man nun in Bern „Überzeugungsarbeit“ leisten, um Projekte zu retten, die national kaum Priorität geniessen aber lokal wichtig wären. Es sei die Frage erlaubt, wie gross das Interesse der anderen Regionen ist, Winterthurer Projekte zu unterstützen, wenn die Mehrheit des Stadtrats eine Politik verfolgt, die kantonal oder national nicht mehrheitsfähig ist.
Winterthur hat grosse Pläne und will eigenständig handeln, aber die eigenen politischen Entscheidungen haben genau das Gegenteil bewirkt: finanzielle und strategische Abhängigkeit. Es ist Zeit für eine Kurskorrektur. Winterthur steht an einem Wendepunkt. Eine moderne Stadtentwicklungspolitik kann nicht auf wirtschaftlicher Schwäche gründen. Es braucht ein Umdenken in der Verkehrs- aber auch in der Finanzpolitik. Anstelle grosser Summen für Strassenprojekte auszugeben, die auf Widerstand in der Bevölkerung stossen, sollte man besser vorhandene finanzielle Mittel für die Realisierung von Projekten einsetzen, die auch einen wirtschaftlichen Mehrwert bringen. Chancen für eine Kursänderung dazu ergeben sich im Rahmen der Richtplanrevision und den Tempo 30 Diskussionen. Einverstanden sind wir mit dem Stadtrat, dass es nun gemeinsame Anstrengungen braucht, damit wichtige Infrastrukturprojekte nicht auf den St. Nimmerleinstag verschoben werden.
Es braucht jetzt echte und offene Gespräche wie Winterthur vorwärts kommt. Die HAW ist bereit, dazu einen Beitrag zu leisten, damit der Wirtschaftsstandort Winterthur langfristig gestärkt werden kann.
Thomas Anwander
Präsident Handelskammer und Arbeitgebervereinigung
Kantonsrat Die Mitte
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