21.06.2018

Von der Gartenstadt zur Gebührenstadt

Wie viele Steuern bezahlen Sie? Das wissen Sie sicher und denken, dass es zu viele sind. Wissen Sie aber auch, wie viele Gebühren Sie bezahlen? Das wissen Sie wahrscheinlich nicht. Ich weiss nicht einmal, welche Gebühren ich überhaupt bezahlen muss, geschweige denn, wie hoch die einzelnen Gebühren sind.

Gebühren, oder Entgelte wie es im Fachjargon heisst, sind für den Staat eine wichtige Einnahmequelle, das zeigt ein Blick in die Winterthurer Jahresrechnung. Im vergangenen Jahr nahm die Stadt gesamthaft 586 Millionen Franken Entgelte ein. Das ist ein Drittel mehr als bei den Steuern, welche 440 Millionen Franken betrugen. Ein Blick zurück zeigt auch, dass die Gebühreneinnahmen dreimal stärker gewachsen sind als die Steuereinnahmen. In Winterthur stiegen die Steuereinnahmen innert sechs Jahren um 13 Prozent, die Gebühreneinnahmen dagegen um satte 39 Prozent. Das Sprichwort „Kleinvieh macht auch Mist“ passt für die Winterthurer Gebühren wie die Faust aufs Auge.

Gebühren sollten laut Definition das Entgelt für eine Amtshandlung oder die Entschädigung für die Benutzung einer öffentlichen Anlage sein. Sie sollten also dafür bezahlt werden, dass jemand eine direkte Leistung bezieht. Ich frage mich aber, warum sollte der Einfamilienhausbesitzer mit der Stromrechnung seiner Wärmepumpe die Gebühr für die öffentliche Beleuchtung bezahlen? Das sah auch der Winterthurer Stadtrat ein, welcher diese Gebühr nach nur einem Jahr und grosser öffentlicher Kritik wieder aufhob. Weiterhin wird aber eine sogenannte Litteringgebühr mit der Abfallgebühr eingezogen. Auch da kann man sich fragen, was hat die Stockwerkeigentümerin mit dem Abfallberg im Stadtpark zu tun, welcher am Wochenende hinterlassen bleibt. Sollten diese allgemeinen Kosten nicht mittels Steuern bezahlt werden, damit die Gebühren wirklich verursachergerecht bleiben?

Der Staat muss seine Kosten mittels Steuern und Gebühren finanzieren. Da die staatlichen Leistungen laufend ausgebaut werden, steigen die Kosten und zusätzliche Einnahmequellen sind nötig. Weil der Steuerfuss nicht beliebig erhöht werden kann, und dies von den Bürgern auch bemerkt würde, bleiben nur die Gebühren, um den stetig wachsenden Verwaltungsapparat zu finanzieren. Bei den Gebühren fehlt die öffentliche Kontrolle und zudem kann ein Bürgerprotest vermieden werden, da die Gebühren häppchenweise eingezogen werden und nicht auf einmal wie die Steuern. Es fehlt die Transparenz und deswegen wird das Gebührenwesen vom Staat als Einnahmequelle missbraucht.

Winterthur ist nicht nur bei den Steuern führend, auch bei den Gebühren belegt die Eulachstadt einen Spitzenplatz. Während die Steuern aber auch einmal gesenkt werden können, kennen die Winterthurer Gebühren nur eine Entwicklung, sie werden immer teurer. Das Konsumentenmagazin Saldo zeigte auf, dass die Baubewilligungsgebühren in Winterthur für ein Mehrfamilienhaus 60 Prozent höher sind als in Zürich. Trotzdem wurden diese 2014 nochmals um satte 25 Prozent erhöht. Auch bei den Abwassergebühren gehört Winterthur gemäss Preisüberwacher bereits heute zu den teuersten Gemeinden. Nichtsdestotrotz werden auch diese Gebühren nächstes Jahr nochmals um 15 Prozent erhöht. Und als wäre dies nicht schon genug, weitere Erhöhungen hat der Stadtrat bereits angekündigt. Winterthur hat sich als Gartenstadt einen Namen gemacht, langsam aber sicher entwickelt sie sich nun zur Gebührenstadt Winterthur.

Ralph Bauert, Geschäftsführer Hauseigentümerverband Region Winterthur

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