03.12.2025 | Rolf Gloor / Dr. Ralph Peterli
Schulden, Zölle und Wahrnehmung
Die Finanzmärkte zeigen sich weiterhin erstaunlich unbeeindruckt von einer zunehmend fragilen Lage. Obwohl sich die wirtschaftlichen Fundamentaldaten eintrüben – steigende Staatsverschuldung, geopolitische Spannungen und schwächere Indikatoren in Europa und China – halten viele Anleger am Optimismus fest. Die jüngsten Schwankungen im Zuge neuer US-Zolldrohungen haben eindrücklich gezeigt, wie rasch Nervosität und Sorglosigkeit wechseln können.
Global bleibt die Konjunktur schwach. In den USA verschlechtern sich Unternehmensumfragen, Konsumentenstimmung und Arbeitsmarkt, auch wenn das Wachstum nominal noch solide wirkt. China sendet gemischte Signale: Einzelne Indikatoren stabilisieren sich zwar, doch die schwache Binnenkonjunktur, rückläufige Investitionen und ein erneut sinkender Aussenhandel verhindern eine echte Erholung. In Europa hellt sich die Stimmung leicht auf, insbesondere in Frankreich. Dennoch bleibt das Wachstum gedämpft, und die hartnäckige Kerninflation von 2.4 % (Oktober 2025) schränkt den geldpolitischen Handlungsspielraum der EZB weiterhin ein.
Das US-Wachstum verliert an Breite. Politische Eingriffe in unabhängige Institutionen erhöhen die Unsicherheit zusätzlich. Gleichzeitig wächst die Staatsverschuldung weiter dynamisch. Defizite von 7–8 % des BIP bereits in wirtschaftlich guten Zeiten stellen die Rolle von US-Staatsanleihen als sicherer Hafen zusehends in Frage. Dies erklärt auch die starke Performance von Gold – als Diversifikator und Ausdruck wachsender Skepsis gegenüber traditionellen Reservewährungen.
Chinas wirtschaftliche Entwicklung bleibt enttäuschend. Sinkende Investitionen, ein schwacher Immobilienmarkt und rückläufige Exporte bremsen die wirtschaftliche Aktivität. Zwar steigt die Kerninflation leicht, doch ein global bedeutsamer Wachstumsimpuls aus China ist derzeit nicht zu erwarten.
Die Eurozone tritt weiter auf der Stelle. Industrie, Produktion und Auftragseingänge bleiben schwach, während sich Frankreich moderat stabilisiert. Die hartnäckige Dienstleistungsinflation erschwert es der EZB, zusätzliche Zinssenkungen in Aussicht zu stellen.
Die Schweiz wirkt im internationalen Vergleich robust, aber nicht dynamisch. Der starke Lageraufbau in den USA hat die Exportzahlen temporär gestützt, doch strukturelle Belastungen – Zölle, schwächere Auslandsnachfrage und eine eingetrübte Stimmung – dominieren weiterhin. Die Inflation sinkt weiter und könnte 2026 zeitweise negativ werden. Insgesamt bleibt das Umfeld stabil, aber impulsschwach.
Die Märkte bewegen sich weiter zwischen Realitätsverweigerung und selektiver Wahrnehmung. Während sich die wirtschaftlichen Risiken verdichten, reagieren die Börsen nur punktuell – getrieben von der Hoffnung auf Zinssenkungen oder politische Entspannung. In solch unsicheren Zeiten entscheidet die Qualität der Instrumente über die Stabilität des Flugs: eine klare, regelbasierte Strategie und breite Diversifikation. Wie in der Fliegerei gilt – wer seinen Instrumenten vertraut und konsequent nach ihnen navigiert, bleibt auch in turbulenten Phasen sicher auf Kurs.
Winterthur Consulting Group AG
Dr. Ralph Peterli / Rolf Gloor
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