16.05.2024
Canva HAW/Forum

Prämien-Entlastungs-Initiative Teil 3: Prämienentlastung ohne Mehrkosten

Hohe Prämien sind in der Schweiz für viele Personen ein grosses Problem. Der von der SP angestrebte Ausbau der Prämienverbilligung ist aber nur Symptombekämpfung mit massiven Mehrkosten. Das Problem sind die steigenden Kosten, nicht Art und Weise, wie Prämienverbilligungen ausgezahlt werden. Dabei gäbe es durchaus Methoden, wie man der zunehmenden Prämienlast ohne Mehrkosten entgegenwirken könnte.

Steigende Prämien sind ein grosses Problem in der Schweiz, welches ernst genommen werden muss. Am 9. Juni stimmt die Schweiz darum über eine Initiative ab, welche Prämienverbilligungen mit massiven Mehrkosten ausbauen will. In einem ersten Blog haben wir bereits erklärt, wie Prämienverbilligungen in der Schweiz funktionieren und wie die Forderungen der Initiative und des Gegenvorschlags lauten. Das dieses System grundsätzlich funktioniert und das die Initiative falsche Anreize schafft, haben wir in einem zweiten Blog erläutert. Denn die Initiative adressiert nicht das Problem, welches hauptsächlich für die steigenden Prämien verantwortlich ist: Die steigenden Gesundheitskosten. Dabei gäbe es durchaus Möglichkeiten, wie man den steigenden Gesundheitskosten entgegenwirken könnte, und das ganz ohne Mehrkosten. 

Doch wie stark sind die Gesundheitskosten in der Schweiz wirklich gestiegen? Zuerst muss festgehalten werden, dass Fortschritte in der Medizin natürlich entscheidend zu einer besseren Gesundheitsversorgung und einer längeren Lebenserwartung beitragen. Die Schweiz hat ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem mit Top-Leistungen, weshalb geringe Gesundheitskosten, verglichen mit anderen Ländern, schlicht unrealistisch sind. Das heisst aber nicht, dass man die enorme Steigung der Gesundheitskosten nicht hätte verhindern können. Nach mehr als 12 Jahren sozialdemokratischer Führung des Innendepartements ist die Bilanz bedenklich.

Die Kosten des Gesundheitswesens sind stark gestiegen und die Grundversicherung wurde mit zahlreichen Leistungen erweitert, was die Prämien weiter erhöht hat. Bei den ambulanten Spitalleistungen sind die Kosten pro versicherte Person (+ 8,5%) im Jahr 2022 stärker gestiegen als bei den Arztpraxen (+5,1%). Die Anzahl Arztbesuche pro Patientin und Patient ist stabil, aber die Kosten pro Arztbesuch steigen. Bei den stationären Spitalleistungen – die 19% der Kosten der obligatorischen Krankenversicherung (OKP) ausmachen – ist die starke Kostenentwicklung teilweise auf eine Verzögerung der Abrechnungen von Vorjahresleistungen der Spitäler und der Rehabilitationskliniken wegen einer neuen Tarifstruktur zurückzuführen. Ein Anstieg der Taxpunktwerte im ambulanten Spitalbereich ist in verschiedenen Kantonen zu beobachten. Die Medikamente machen im Jahr 2022 22% der Kosten der OKP aus. Das Kostenwachstum ist bei den Medikamenten im ambulanten Bereich mit 5,5% auf konstant hohem Niveau. Im Jahresvergleich wachsen die Medikamentenkosten aber stärker als die restlichen Kosten. Krebsmedikamente, Immunsuppressiva und Antidiabetika wachsen am stärksten und sind im Jahr 2023 für 50% des Kostenanstiegs pro versicherte Person verantwortlich. Neuzulassungen mit speziell hohen Preisforderungen und zu häufig eingesetzte Originalpräparate haben auch einen Einfluss auf das Kostenwachstum (BAG). Die Entwicklung der Gesundheitskosten in der Schweiz ist also besorgniserregend. Deshalb braucht es dringend Reformen:

  • Ein echter Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern, welcher sich am Preis, dem Kosten/Nutzen-Verhältnis und an der Qualität orientiert. Daneben braucht es Transparenz bei der Gestaltung der Preise und Tarife. Das könnte die Preise von Medikamenten und medizinischem Material senken (santésuisse).
  • Die zunehmende Verlagerung nach dem Grundsatz «ambulant vor stationär» von den teureren stationären zu den günstigeren ambulanten Behandlungen ist gesamtwirtschaftlich gewünscht und sinnvoll. Aufgrund der unterschiedlichen Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen führt dies aber zu Prämienerhöhungen (FMH). Deshalb sollen alle Leistungen – egal ob ambulant oder stationär – einheitlich finanziert werden.
  • Eine verbesserte Koordination zwischen den Leistungserbringern ist für mehr Effizienz im System und eine bessere Betreuung der Patienten auch zentral. Für die leistungsintensiven Patientengruppen mit den höchsten Gesamtausgaben sowie für die Gruppe der multimorbiden älteren Patienten ist eine umfassende, koordinierte medizinische Versorgung über alle verschiedenen Krankheiten hinweg zentral, um die Qualität und Effizienz der Krankheitsbehandlung zu optimieren (BAG). Dazu gehört auch bessere überregionale Spitalplanung.
  • Die FDP verlangt die Einführung eines "Budget-Versicherungsmodell" für mehr Wahlfreiheit bei den Leistungen und deutlich tieferen Prämien (FDP). Daneben müssen Patienten besser über die Möglichkeiten bei der Krankenkasse (Wechsel des Anbieters, alternative Versicherungsmodelle, Wahl der Franchise etc.) informiert werden, damit sie ihre Prämien individuell verbilligen können.
  • Wichtig ist auch das Stichwort «Digitalisierung». Einen Digitalisierungsschub und ein funktionierendes elektronisches Patientendossier (EPD), das einen Mehrwert für alle Beteiligten generiert, könnten die Gesundheitskosten reduzieren (NZZ).
  • Schliesslich braucht es auch die konsequente Anwendung der WZW-Kriterien (Wirksamkeit-Zweckmässigkeit-Wirtschaftlichkeit), um unnötige Leistungen in der obligatorischen Grundversicherung zu vermeiden (BAG). Zusätzlich wäre eine obligatorische Patientenverfügung, damit in der letzten Lebensphase keine unnötigen Leistungen erbracht werden, hilfreich.
     

Obwohl steigende Gesundheitskosten eine logische Folge von medizinischen Fortschritten sind, ist die Entwicklung in der Schweiz beunruhigend. Die wenigen Massnahmen der sozialdemokratischen Führung waren wirkungslos. Es braucht grundlegende Reformen in unserem Gesundheitssystem, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Es braucht mehr Koordination zwischen Leistungsbringern und die einheitliche Finanzierung der Leistungen. Das Volk soll mehr Wahlfreiheit bei den individuellen Leistungen erhalten, unnötige Leistungen müssen gestrichen werden. Schliesslich könnte auch ein Digitalisierungsschub zur Reduktion der Kosten beitragen. Wie wirksam die unterschiedlichen Massnahmen wirklich sind, ist schwer abzuschätzen. Klar ist aber, dass die Bekämpfung der ansteigenden Gesundheitskosten, nicht die Erhöhung der Prämienverbilligungen, der Weg zum Ziel ist.

 

Andrin Gross, Bachelor of Arts in Politikwissenschaften, Werkstudent HAW

Teilen & diskutieren Sie diesen Artikel

Personen

Organisationen

Newsportal

Das "Forum Winterthur" dient der politischen Information und Diskussion in der Region Winterthur. Die Winterthurer Wirtschaftsverbände betreiben die News-Plattform in Zusammenarbeit mit den Parteien Die Mitte, FDP und SVP. Die Plattform wird von ihren Trägern sowie durch Inserate und Spenden finanziert. Für den Inhalt der einzelnen Beiträge sind die Verfasser verantwortlich. Die Publikation eines Beitrages auf dieser Plattform bedeutet nicht, dass die Träger der Plattform in jedem Fall mit dem Inhalt einverstanden sind.

Regelmässige News-Updates erhalten?

Wirtschaftsagenda Winterthur