25.04.2024
HAW Hubspot (KI generiertes Bild)

Prämien-Entlastungs-Initiative Teil 2: Fakten und Zahlen zur Prämienlast

Am 9. Juni stimmt die Schweiz über die Prämienentlastungsinitiative der SP ab. Diese verlangt, dass die Prämien nicht mehr als 10 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens ausmachen dürfen. Das System der Prämienverbilligung in der Schweiz ist ziemlich kompliziert und vor allem von kantonalen Unterschieden geprägt. Trotzdem zeigt ein Blick auf die Fakten und Zahlen, dass die angestrebte gesetzliche Anpassung nicht zielführend ist und falsche Anreize schafft.

In einem ersten Blog haben wir das System der Prämienverbilligung erklärt. Dieses ist in der Schweiz seit Jahren implementiert und funktioniert sehr gut. Die Höhe der individuellen Prämienverbilligung richtet sich an den aktuellsten Einkommens-, Vermögens- sowie Familienverhältnissen. Zudem verpflichtet das Krankenversicherungsgesetz die Kantone, alle Personen in bescheidenen Verhältnissen mittels Prämienverbilligung zu entlasten. Für Familien mit unteren und mittleren Einkommen müssen die Kantone die Prämien der Kinder um mindestens 80 Prozent und die Prämien der jungen Erwachsenen in Ausbildung um mindestens 50 Prozent verbilligen. Andere Vorgaben gibt es für die Kantone nicht, was zu kantonalen Differenzen führt.

Die Idee der Initiative ist vor allem, finanzschwache Personen und Familien zu entlasten. Im gesamtschweizerischen Mittel wendeten die einkommensschwachen Haushalte nach Prämienverbilligung gemäss dem letzten Monitoringberichts des Bundes aus dem Jahr 2020 rund 14% ihres verfügbaren Einkommens für Prämienzahlungen auf (Bundesamt für Gesundheit, 2021). Diese Zahl wird von den Initianten und Befürwortern der Initiative auch oft genannt, um zu illustrieren, dass ärmere Haushalte zu wenig unterstützt würden. Allerdings bezieht sich die genannte Zahl auf die sogenannte Standardprämie, also das teuerste Prämienmodell (freie Arztwahl, tiefste Franchise von 300 Franken), das nur 15% der Versicherten tatsächlich gewählt haben. Ein realistischeres Bild vermittelt die sogenannte mittlere Prämie, die im schweizerischen Durchschnitt gezahlt wird. Diese liegt deutlich tiefer, weil viele Versicherten alternative Modelle (wie HMO) oder höhere Franchisen gewählt haben (NZZ, 2024). Gemessen an der mittleren Prämie zahlten die einkommensschwachen Modellhaushalte 2020 im schweizerischen Durchschnitt nach der Prämienverbilligung nur 9% des verfügbaren Einkommens für die Krankenkassenprämien (Bundesamt für Gesundheit, 2021). 

Die Befürworter der Initiative behaupten auch immer, dass die gesetzliche Änderung am System aufgrund der «Prämienexplosion», also der enormen Zunahme der Prämien, nötig sei. Dies ist nicht ganz falsch, denn 2023 und 2024 sind die Prämien weit überdurchschnittlich gestiegen. Allerdings zeigt sich beispielweise für 2023 im Nachhinein, dass es doch nicht so dramatisch war, wie ursprünglich gedacht. Wurde die Prämiensteigerung 2023 zunächst auf 6,6 Prozent veranschlagt, waren es schlussendlich nur geschätzt 5,4%. Seit 2018 sind die Prämien im Schnitt um 2,4 Prozent gestiegen, eine «Prämienexplosion» ist das wahrlich nicht (NZZ, 2024). 

Im gesamtschweizerischen Kontext ist nicht automatisch problematisch. Doch hier kommen die kantonalen Differenzen ins Spiel. Während zum Beispiel 2020 die Prämienbelastung gemessen an der mittleren Prämie für einkommensschwachen Modellhaushalte im Kanton Neuenburg rund 15% betrug, waren es im Kanton Zug nur 5%. Der Kanton Zürich lag genau zwischen diesen beiden Extremwerten bei 10% (Bundesamt für Gesundheit, 2021). Auch die Anzahl Bezüger von Prämienverbilligungen variiert von Kanton zu Kanton stark. So haben 2022 im Kanton Neuenburg 18.5% der Bevölkerung Prämienverbilligungen enthalten, während es im Kanton Genf 42.5% waren. Im Kanton Zürich waren es 20.9% (SRF, 2023). Die kantonalen Differenzen divergieren stark. Zudem haben mehrere Kantone ihren Beitrag in den letzten Jahren nur teilweise an die gestiegenen Kosten angepasst oder ihren Beitrag sogar gesenkt (Bundesamt für Gesundheit). Die Prämienentlastungs-Initiative würde aber diejenigen Kantone und Regionen bestrafen, die die Gesundheitskosten besser unter Kontrolle haben. Sie müssten künftig die Ausgabenfreudigen quersubventionieren (economiesuisse, 2024).

Interessant ist, was die in der Initiative gestellten Forderungen konkret für Winterthur und den Kanton Zürich bedeuten. Aktuelle Zahlen der SWICA zeigen auf, dass die Forderungen der Initiative hier bereits grösstenteils redundant sind. Rund 27% der bei der SWICA KVG versicherten Personen beziehen im Kanton Zürich Prämienverbilligungen (SWICA, 2024). Ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem Haushaltseinkommen von 75’000 Frankem muss in Winterthur nach Prämienverbilligungen beispielweise netto nur 8.3% des Einkommens für Prämien ausgeben. Für eine unverheiratete Person mit einem Einkommen von 35’000 Franken beträgt die Prämienbelastung nach Prämienverbilligungen in Winterthur netto 6.6%. Die gleichen Zahlen gelten auch für den ganzen Kanton (SVA Online-Rechner). Die effektive Prämienbelastung im Kanton Zürich und in Winterthur ist nach Abzug der Prämienverbilligung also bereits unter der in der Initiative definierten Limite der 10% des verfügbaren Haushaltseinkommen. In Kanton Zürich schafft die Initiative keine Verbesserung. Im Gegenteil, die angestrebte gesetzliche Anpassung ist nicht zielführend und schafft falsche Anreize. Die Kostensteigerungen werden damit nicht adressiert und passende Instrumente zur Kostensenkung nicht gefördert.

Die Prämienbelastung in der Schweiz ist also im Schnitt nicht derart gravierend, wie die Initiative suggeriert, dies vor allem wenn man sich an der aussagekräftigeren mittleren Prämie orientiert. Dann liegt die Prämienlast auch für einkommensschwache Haushalte unter der in der definierten Limite (10% des verfügbaren Haushaltseinkommen). Ein allgemeines Problem ist die Prämienlast in der Schweiz also nicht. Allerdings ist die Prämienlast für einkommensschwache Personen und Familien in eigen Kantonen deutlich höher als in anderen. Im Kanton Zürich und in der Stadt Winterthur führt die Initiative zu keiner Verbesserung und schafft falsche Anreize. Das heisst nicht, dass zu hohe Prämien kein Problem sind und darum nicht adressiert werden sollen, da sich das geltende System bewährt. Die Prämien steigen immer mehr, allerdings nicht so extrem wie viele denken und befürchten. Der Ausbau der Prämienverbilligung ist aber nur Symptombekämpfung mit massiven Mehrkosten. Das Problem sind die steigenden Kosten, nicht die Verteilung. Wie man diesen steigenden Kosten, also der Ursache des Problems, entgegenwirken könnte, beantworten wir in einem dritten Teil.

 

Andrin Gross, Bachelor of Arts in Politikwissenschaften
Werkstudent HAW

Schreiben Sie Ihre Meinung

Kommentar verfassen

Teilen & diskutieren Sie diesen Artikel

Personen

Organisationen

Newsportal

Das "Forum Winterthur" dient der politischen Information und Diskussion in der Region Winterthur. Die Winterthurer Wirtschaftsverbände betreiben die News-Plattform in Zusammenarbeit mit den Parteien Die Mitte, FDP und SVP. Die Plattform wird von ihren Trägern sowie durch Inserate und Spenden finanziert. Für den Inhalt der einzelnen Beiträge sind die Verfasser verantwortlich. Die Publikation eines Beitrages auf dieser Plattform bedeutet nicht, dass die Träger der Plattform in jedem Fall mit dem Inhalt einverstanden sind.

Regelmässige News-Updates erhalten?

Wirtschaftsagenda Winterthur