11.04.2024
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Prämien-Entlastungs-Initiative Teil 1: Wie Prämienverbilligungen funktionieren

Krankenkassenprämien werden in nächster Zeit das grosse innenpolitische Thema in der Schweiz sein. Am 9. Juni stimmt das Schweizer Volk gleich über zwei Vorlagen ab, welche auf eine Verbilligung der Prämien abzielen. Eine grosse Bedeutung hat dabei vor allem die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP, welche verlangt, dass die Prämien nicht mehr als 10 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens ausmachen dürfen.

Das System der Prämienverbilligungen in der Schweiz ist ziemlich kompliziert. Jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz muss für die Krankenpflege versichert sein (Obligatorium). Die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) bietet allen Versicherten Zugang zu denselben medizinischen Leistungen. Der Krankenversicherer legt die Versicherungsprämien für Kunden unabhängig von deren Einkommen und Gesundheitszustand unter anderem nach Wohnregion und Versicherungsmodell fest. Um dies auszugleichen, verpflichtet das Krankenversicherungsgesetz die Kantone, alle Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen mittels Prämienverbilligung zu entlasten. Die Kantone entscheiden, wer Anspruch auf Prämienverbilligung hat, müssen dabei aber gewisse Vorgaben erfüllen Die Höhe der individuellen Prämienverbilligung richtet sich an den aktuellsten Einkommens-Vermögens sowie Familienverhältnissen, wobei für letzteres vor allem die Anzahl Kinder relevant ist (Bundesamt für Gesundheit). 

Der Bund bezahlt 7.5% der Bruttokosten der obligatorischen Krankenversicherung (OKP) als Beitrag in die Prämienverbilligung. Die Kantone ergänzen diesen Bundesbeitrag durch eigene Mittel. Sie sind nicht verpflichtet, ihre Beiträge bei Steigerung der Kosten der OKP zu erhöhen. Folglich variieren die Beiträge der Kantone stark. Mehrere Kantone haben ihren Beitrag in den letzten Jahren nur teilweise an die gestiegenen Kosten angepasst oder ihren Beitrag sogar gesenkt. Im Jahr 2022 wurden insgesamt rund 5,4 Milliarden Franken Prämienverbilligung ausbezahlt, wovon der Bund mehr als die Hälfte übernahm. Das System berücksichtig kantonale Unterschiede anhand der Bevölkerungszahl und demographischen Gegebenheiten in den verschiedenen Kantonen (Bundesamt für Gesundheit). 

Die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP, welche am 9. Juni zur Abstimmung gelangt, verlangt dass die Krankenkassenprämien höchstens zehn Prozent des verfügbaren Einkommens betragen dürfen. Künftig soll der Bund zwei Drittel der Gesamtausgaben übernehmen, was die Kantone entlastet und in ihrem Bemühen unterstützt, die Prämienverbilligung auszurichten. Die Kantone sollen ein Drittel mit eigenen Mitteln finanzieren. Zudem wird den Versicherten so die Prämienverbilligung garantiert, unabhängig von der finanziellen Situation der Kantone (Bundeskanzlei). Je nach Umsetzung und Entwicklung der Gesundheitsausgaben schwanken die Kosten. Der Bundesrat rechnet bei Annahme der Initiative mit Mehrkosten für Bund und Kantone von 4,6 bis 7,2 Milliarden Franken im Jahr. Bis 2030 würden diese Mehrkosten sogar auf jährlich 7 bis 11,7 Milliarden Franken ansteigen (Bundesamt für Gesundheit).

Wird die Initiative abgelehnt, tritt automatisch der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft. Dieser verpflichtet jeden Kanton einen Beitrag zur Prämienverbilligung zu leisten, der einem Mindestprozentsatz der Bruttokosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) der Versicherten, die in diesem Kanton wohnen, entspricht. Dieser Prozentsatz wird davon abhängen, wie stark die Prämien nach der Verbilligung die Einkommen der 40 Prozent der Versicherten mit den tiefsten Einkommen belasten (Bundesrat). Laut Schätzungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) werden die Mehrkosten zulasten der Kantone mit dem Gegenvorschlag im Jahr 2024 rund 600 Millionen Franken betragen (Bundesamt für Gesundheit).

Das System der Prämienverbilligung in der Schweiz ist etwas kompliziert, aber es hat sich grundsätzlich bewährt. Die Prämien-Entlastungs-Initiative würde zu massiven Mehrausgaben führen, welche der Kanton letztlich über die Steuern wieder hereinholen muss. Beim Gegenvorschlag wären die finanziellen Folgen wesentlich kleiner. Beide Lösungen haben aber denselben Mangel: Sie bekämpfen nur die Folge, nicht aber die Ursache des Problems. Warum die Prämien so stark ansteigen und wie dem entgegengewirkt werden kann, ist doch eigentlich die viel wichtigere Frage. 

Die Prämien-Entlastungs-Initiative verdient an der Urne an klares Nein. In einem zweiten Beitrag werden wir darauf eingehen, warum die SP-Initiative nicht zielführend ist und falsche Anreize schafft.

 

Andrin Gross, Bachelor of Arts in Politikwissenschaften
Werkstudent HAW

 

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