01.10.2021

Nachgedacht

Seit wohl zwei Jahren stelle ich mir immer öfters vor , ich sei ein Bus. So ein richtiger ÖV-Bus. Ob mich wohl die «Ich-bin-auch-ein-Tram, ich-bin-auch-ein-Schiff -Werbung» angesteckt hat? Jedenfalls kam mir dieser Gedanke erstmals auf der Schlosstalstrasse, als ich so einen Dieselbus vor mir hatte, der sich mit dem Label «Solaris» tarnte. Mir fiel damals auf, wie ein Bus an einer Haltstelle anhält. Das merkte man früher gar nicht.

Egal mit welchem Verkehrsmittel, liess sich ein Bus an  jeder Haltestelle überholen. Heute stehen alle Verkehrsteilnehmer hinter dem Bus und entspannen sich, geniessen die Landschaft oder spielen am Handy. Alle? Nein, nicht ganz. Die Velofraktion, allen voran die E-Biker*innen wollen sich den Genuss der Verkehrspause nicht gönnen. Ihnen stehen im Sinne einer Schnellstrasse zwei Varianten zur Verfügung: Das «rauf-und-runter» Trottoirrally, und noch sportlicher, der Linksslalom um die blockierende Verkehrsinsel. Beides Bussenpflichtig, aber der Fun ist es wert. Das Prozedere wiederholt sich übrigens bei jeder Haltstelle. Die Autofahrer, Moped und Töfffahrer, aber auch die Korrekten auf dem Fahrrad, entspannen sich hinter dem Bus für 2-3 Minuten mit Yoga, geniessen wieder die Landschaft, bis sich das immer länger werdende Zügli wieder eine Station weiterbewegt. Gemütlich und relaxed.

Die Stadtregierung, oder mindestens Teile davon, haben den Spass an der Sache erkannt und bauen immer mehr Busstrecken aus, die dieses Erlebnis bieten. Favoriten sind neben der Schlosstalstrasse, die Breitestrasse, übrigens eine gute Gelegenheit zum Berganfahren üben, die Kanzleistrasse, wo auch der Querverkehr gestoppt wird, der Amelenberg, wo es dann nur mit 40km/h in der 80er Zone übers Land geht, oder die Rychenbergstrasse, die aufgrund der vielen Villen und Stopps ein Genuss für sich ist. Ein wirklicher Renner wird die Frauenfelderstrasse,  wo der Start für das Buszügli auf der Stadtrainbrücke mit Aussicht auf die SBB-Gleise bereits eingezeichnet ist. 25km/h bis zum Römertor sind garantiert!

Schade ist nur, die Planer, die solche Unterhaltungsstrecken mit dem Motto «Enjoy being a bus» aushecken, anonym in den Ämtern unter Verschluss gehalten werden. Man müsste sie mit dem Schildbürgerorden prämieren oder an den Pranger stellen oder hoffen, dass ihr Ablaufdatum gekommen ist.

red/momo

Hans-Ulrich Landolr 30.09.2021, 11:29

Die Sanierung der Frauenfelderstrasse ist schon ein riesiger Schildbürgerstreik und eine unnötige riesige Geldverschwendung, damit der Verkehr nicht mehr flüssig läuft. Die Verkehrssicherheit wird so wohl nicht gefördert. Man fragt sich schon, wo das die Strassenbau Planer und Ingenieure heute lernen. Schuld an der Misère ist aber wohl die Politik.

Ralph Peterli 30.09.2021, 08:57

Es geht um Kapazitäten, die für alle Verkehrsteilnehmer möglichst effizient nutzbar sein sollten. Sie erkennen richtig Herr Zäch, dass ich von solchen bewussten Behinderungen wirklich nichts halte. Ich würde gerne mehr über das Eigenleben der städtischen Planungseinheiten erfahren. Hier sollte stärker geführt werden durch die politisch Verantwortlichen.

Benedikt Zäch 30.09.2021, 08:24

Nein, da wurde nicht länger nachgedacht.
1. Die Wartezeiten hinter einem Bus an der Haltestelle betragen etwa 20-30 Sekunden(!), nicht 2-3 Minuten; der Bus hat strikte Fahrpläne.
2. Überholen des Buses ist verboten, und zwar für alle Verkehrsteilnehmer. Und dass ein Velo auf dem Trottoir rechts, habe ich als häufiger Busfahrer noch nie gesehen. Da ist Ralph Peterli wohl die Phantasie durchgegangen.
3. Hinter dem Bus stehen Autos mit durchschnittlich 1 (meistens) bis 2 Personen. Im Bus sitzen auf Hauptlinien durchschnittlich 10-30 Personen. Das nennt man Flächeneffizienz im Verkehr und es ist der wichtigste Hebel, um den Verkehr auf der Strasse für alle und nicht nur für wenige flüssiger zu machen.
So lustig der Betrag daherkommt: Er ist inhaltlich falsch und irreführend.

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