02.04.2025

Interview mit Stadtpräsident Michael Künzle

Nach gut 20 Jahren im Winterthurer Stadtrat, von 2005 bis 2012 als Vorsteher des Sicherheits- und Umweltdepartements und seither als Stadtpräsident, hat Michael Künzle heute angekündigt, bei den Gesamterneuerungswahlen 2026 nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten. Forum Winterthur hatte die Gelegenheit, mit dem scheidenden Stadtpräsidenten ein Interview zu führen.

Rückblickend auf Ihre Amtszeit: Was waren die grössten Herausforderungen, mit denen Sie konfrontiert waren und auf welche Erfolge sind Sie besonders stolz? 

Die grössten Herausforderungen waren die Stadtfinanzen, die Coronapandemie und die beiden Administrativuntersuchungen. Das waren auch emotional schwierige Situationen.

Als Chef des Departementes Sicherheit und Umwelt ist es mir 2008 mit der Stadtpolizei Winterthur und mit der Unterstützung des Departementes Soziales – damals von Maja Ingold geführt - gelungen, die Drogenszene hinter dem Manor aufzulösen. Ausserdem wurden wir mit dem Label Energiestadt Gold ausgezeichnet, worauf wir sehr stolz waren.

Als Stadtpräsident galt es, die Kultur- und Bildungsstadt zu festigen. Das haben wir mit einem neuen Kulturleitbild, der Kulturförderungsverordnung, der Umsetzung des städtischen Museumskonzeptes und neuen Subventionsverträgen geschafft. Ausserdem haben wir das Theater Winterthur in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, was mehr Handlungsspielraum gibt. Die Sanierung des Theaters schreitet sehr gut voran. In den letzten Jahren haben sich immer mehr Bildungsinstitutionen in Winterthur angesiedelt. Mit der ZHAW haben wir einen regelmässigen Austausch und nutzen die Möglichkeiten, mit einer Fachhochschule zusammen zu arbeiten. Ein weiterer Ausbau der ZHAW soll in Winterthur stattfinden: ein eigentliches Wissensquartier wird entstehen.

10'000 neue Arbeitsplätze in zehn Jahren. Das war meine Ansage als neuer Stadtpräsident. Wir haben das geschafft. Die Wirtschaft hat diese neuen Arbeitsplätze von 2012 bis 2022 geschaffen. Herzliche Gratulation. Es braucht aber noch mehr. Das starke Bevölkerungswachstum zwingt uns, weitere Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund wurde auch das House of Winterthur gegründet.

2015 haben wir die städtische Verwaltung im Superblock zentralisiert.

Aktuell ist das Wachstum der Stadt die Herausforderung Nummer 1. Wir brauchen viel mehr Infrastruktur, zur Schiene und zur Strasse. Diese Projekte haben wir mit dem Kanton Zürich, der SBB und dem Bundesamt für Strassen aufgegleist und nutzen die Chance, die Stadt weiterzuentwickeln (Hauptbahnhof, Töss, Oberwinterthur etc.).

Aber wir können auch feiern: 2014 haben wir die Stadt beim Jubiläum 750 Jahre Stadtrecht Winterthur grossartig in Szene gesetzt und 

 

Gibt es Entscheidungen oder Ereignisse während Ihrer Zeit als Stadtpräsident, die Sie heute anders angehen würden, und was haben Sie daraus für sich persönlich und politisch gelernt?

An den Rahmenbedingungen für die Wirtschaft müssen wir weiterarbeiten und diese verbessern. Ausserdem dauerte die Erneuerung der Kultursubventionsverträge viel zu lange.

 

Winterthur ist eine Stadt im Wandel. Wo sehen Sie die grössten Chancen und Herausforderungen für die Stadt in den kommenden Jahren?

Die Stadt wächst und wird verdichtet. Dabei darf die sehr hohe Lebensqualität nicht verloren gehen. Wir benötigen bspw. in den nächsten Jahren neue Schulhäuser. Die Bildungskosten steigen stark. Hier müssen wir uns mit dem Kanton Zürich auf einen anderen Kostenschlüssel einigen. Ansonsten drohen Kürzungen unter anderem bei der Kultur und dem Sport. Das will ich nicht.

Winterthur hat sehr viele Menschen, Vereine, Unternehmen, die sich für diese Stadt einsetzen, gute Ideen haben und ein sehr hohes Engagement zeigen. Dies müssen wir vermehrt nutzen und diese Kompetenzen einsetzen.

 

Als Stadtpräsident ist man auch Kulturminister von Winterthur, wie hat sich die Kulturszene während Ihrer Amtszeit entwickelt oder verändert?

Wir stellen fest: Kultur braucht mehr Geld, da die Anforderungen an die Kultur gestiegen sind. Die öffentliche Hand kann nicht alles finanzieren. Wir brauchen private Sponsoren und wir brauchen noch mehr davon. Hier appelliere ich unter Bezug auf die Geschichte in Winterthur (Mäzenatentum) an die grösseren Unternehmen, ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrzunehmen.

Wir haben den Kulturschaffenden mit dem revidierten Kulturleitbild, der Kulturförderungsverordnung und den neuen Subventionsverträgen wieder etwas mehr Planungssicherheit und eine rechtliche Basis für eine sichtbare und glaubwürdige Kulturpolitik verschafft.

Die Kulturstadt ist nach wie vor stark und weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Das vielfältige Angebot ist sensationell.

 

Der Stadtpräsident ist sozusagen auch von Amtes wegen der Hüter des Kollegialprinzips im Stadtrat. Inwieweit funktioniert angesichts der Polarisierung und der Personalisierung der Politik das Kollegialprinzip noch auf Stufe Stadtrat?

Das ist ein Grundsatz, der von allen im Stadtrat eisern eingehalten wird. Wenn ein Beschluss einmal gefasst worden ist, vertreten alle Mitglieder die Mehrheitsmeinung. Es wäre nicht vorteilhaft für ein Exekutivgremium, wenn öffentlich unterschiedliche Meinungen vertreten würden.

Die unangenehme Seite ist, dass man die Stadtratsmeinung auch dann vertreten muss, wenn man eigentlich anderer Ansicht und in der Minderheit ist.

 

Der Rücktritt erfolgt auf das Ende der Amtszeit nach 21 Jahren im Stadtrat. Was sind Ihre Pläne für die Zeit nach Ihrem Ausscheiden aus dem Amt und was werden Sie voraussichtlich am meisten vermissen?

Ich werde die vielen Kontakte mit der Bevölkerung, Vereinen und Unternehmen und die Zusammenarbeit mit meinen Kadern und Mitarbeitenden vermissen. Wichtige und spannende Projekte sind unterwegs, diese werde ich weiterhin beobachten. Da ich noch nicht im AHV-Alter bin, bin ich offen für weitere Tätigkeiten. Ich werde sicherlich nicht einfach nichts tun.

 

Die Redaktion von Forum Winterthur konnte das Interview am 2.4.25, kurz nach der Rücktrittsankündigung führen.

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