16.05.2023

Interview mit Daniel Oswald: "Es werden Leistungen in Aussicht gestellt, welche ohne zusätzliche Einnahmen nicht zu finanzieren sind"

Daniel Oswald ist seit gut einem Jahr Präsident der Aufsichtskommission (AK) des Winterthurer Stadtparlaments, die die Oberaufsicht über den Finanzhaushalt ausübt. Wir haben uns mit Daniel über seine bisherige Amtszeit, seine Prioritäten und die Herausforderungen, denen er und die AK gegenüberstehen unterhalten. Er teilt dabei auch Einblicke in die Veränderungen und Entwicklungen, die die Stadt Winterthur derzeit durchläuft.

Du bist nun ein Jahr Präsident der AK, wie hast du das erste Jahr der neuen Legislatur wahrgenommen?

Als erstes nutze ich hier gerne die Gelegenheit und bedanke mich für das Vertrauen, dass ich vom Parlament mit dieser Aufgabe betraut wurde. Mit Blick auf das letzte Jahr fällt mir auf, dass es eine wesentliche Anpassung der Kommissionarbeit braucht. Wir Milizpolitiker müssen unsere Zeit primär für die politische Diskussion einsetzen können, es geht aber immer öfters um juristische Themen, welche für mich als Ingenieur schon mal eine Herausforderung sind. Es braucht deshalb unbedingt einen Ausbau des Parlamentsdienstes zur administrativen und juristischen Unterstützung der Kommissionsarbeit. Ohne diesen Ausbau wird es Bürgern mit verantwortungsvollen Positionen in der Wirtschaft kaum mehr möglich sein, aktiv Politik zu betreiben.

Wie erlebst Du die Zusammenarbeit mit den anderen Kommissionsmitgliedern und dem Stadtrat?

Die Zusammenarbeit zwischen den Kommissionen funktioniert sehr gut. Da es jetzt neu fünf anstatt vier ständige Kommissionen gibt, mussten die Kommissionsitzungen zum Budget und zur Rechnung neu organisiert werden. Auf Initiative von Romana Heuberger haben wir Kommissionspräsidenten einen Standardterminplan entwickelt, bei welchem praktisch nur noch das Datum aktualisiert werden muss und die Planung für das jeweilige Jahr steht.

Bezogen auf Deine Kommission, worin siehst Du die grössten Herausforderungen für die Stadt Winterthur in den nächsten Jahren?

Als grosse Herausforderung sehe ich den richtigen Einsatz der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel. Da wir bereits einen rekordhohen Steuerfuss haben, besteht hier nur Flexibilität nach unten. Ungeachtet dessen werden der Bevölkerungen Leistungen in Aussicht gestellt, welche ohne zusätzliche Einnahmen nicht zu finanzieren sind.
Zudem stehen in verschiedenen gebührenfinanzierten Bereichen hohe Investitionen an. Wen der Stadtrat nicht umgehend eine Verzichtsplanung angeht, wird die Belastung durch die öffentliche Hand massiv steigen. Dies wird zur Abwanderung von Steuersubstrat führen, was die Belastung noch weiter in die Höhe treiben wird. 

Die AK übt die Oberaufsicht über den Finanzhaushalt aus, doch wie viel Einfluss hat sie bei der Erarbeitung des Budgets? Etwas überspitzt formuliert, nickt sie die Vorschläge nur ab oder gestaltet sie auch mit?

Mit dem Prinzip der Sachkommissionen werden Budget und Rechnung in den zuständigen Kommissionen behandelt. Somit ist die Oberaufsicht der AK mehr Etikette als wirkliche Einflussmöglichkeit. Wenn die AK ebenfalls Vorschläge machen könnte, müssten wir sämtliche Departemente nochmals beraten. Dies würde mehr Zeit in Anspruch nehmen und es wäre auch nicht effizient. Anders wäre es, wenn die AK zu Beginn der Budgetperiode die strategischen Vorgaben wie z.B. Stellenplan und Steuerfuss erarbeiten und dem Parlament zum Entscheid vorlegen könnte. Darauf basierend müsste dann der Stadtrat das Budget erstellen. Ob die Vorgaben im Budget auch eingehalten wurden, wäre dann Aufgabe der Sachkommissionen.  

Andere Städte wie Zürich haben keine AK, dafür aber eine Rechnungsprüfungskommission und eine Geschäftsprüfungskommission. Worin siehst Du die Stärken und Schwächen des Winterthurer Systems?

Mir sind die Systeme der erwähnten Städte nicht im Detail bekannt, weshalb ich hier keinen Vergleich anstellen kann. Die zentrale Frage ist für mich, mit welchen Kompetenzen die einzelnen Gremien ausgestattet und wie die Aufgaben wahrgenommen werden. Wenn der politische Wille da ist, kann die Aufsichtskommission so ausgestaltet werden, dass sie ihrem Namen gerecht werden kann. Eine Standortbestimmung ist angebracht und diese sollten wir ergebnisoffen angehen.

Für viele Bürgerinnen und Bürger sind Jahresrechnung und Budget schwierige Dokumente zu lesen. Welche Möglichkeiten siehst Du die städtischen Publikationen einfacher zu gestalten?

Nicht nur die Bürger, auch ehemalige Mitglieder des Stadtparlamentes über Parteigrenzen hinweg sind zu dieser Erkenntnis gelangt. Die Komplexität ist das Ergebnis des Eiertanzes zwischen Exekutive und Legislative. Verschiedene Vorgänge im Budgetprozess werden genutzt, um Intransparenz zu schaffen, so etwa der Umgang mit internen Verrechnungen, die die Ausgaben auf dem Papier weder erhöhen noch senken. Ein zweiter Treiber der Komplexität ist der Detaillierungsgrad. Budget und Rechnung müssen primär zwischen der Exekutive und Legislative und nicht zwischen den Verwaltungseinheiten und der Legislative verhandelt werden.

Was war der grösste Erfolg für die AK in der laufenden Legislaturperiode?

Die laufende Legislatur ist noch sehr jung. Aber wir konnten bereits die neue Verordnung zur Organisation des Wahlbüros erledigen. Ebenfalls die Frage der Ungültigkeitserklärung zur „Initiative Freie Fahrt für den Bus, kein flächendeckendes Tempo 30“ war aus meiner Sicht ein sehr wichtiges Geschäft. Meine Erkenntnis aus der Diskussion im Parlament um die Frage der Ungültigkeit dieser Initiative ist, dass der Stadtrat kein flächendenkendes Tempo 30 einführen darf, andernfalls müsste die Initiative gültig sein. Aber wie eingangs erwähnt, bin ich nicht Jurist.

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