22.11.2019

HAW ist besorgt über politische Entwicklung und Budget in Winterthur

Die Herbstversammlung der HAW beginnt Thomas Anwander mit einer Beurteilung der politischen Lage in der Stadt und führt danach den Gastgeber Andreas Keller, CEO der Firma PAWI ein. PAWI ist nicht nur Produzent, sondern vielmehr engagierter Problemlöser mit höchster Service-Kompetenz. Die Leidenschaft sind Verpackungen aus Karton und Papier. So beschäftigt sich das Winterthurer Unternehmen entlang der ganzen Wertschöpfungskette vom grafischen Verpackungsdesign über Verpackungskonzeptionen bis hin zu Logistiklösungen.

Wahlausgang und Klimadebatte
Der 18-monatige Wahlreigen auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene ist mit der Wiederwahl Ruedi Nosers kürzlich zu Ende gegangen. Aus Sicht der Wirtschaft sind die Resultate relativ ernüchternd. In Winterthur haben die bürgerlichen Parteien die Mehrheit im Stadtrat verloren und im Gemeinderat besteht keine verlässliche Mehrheit für die Anliegen des Wirtschaftsstandortes. In der vergangenen Periode hatte die Klimadiskussion grossen Einfluss auf den Wahlausgang. Umweltschutz und schonender Umgang mitRessourcen sind auch für die HAW und ihre Mitglieder wichtig. In einer marktwirtschaftlichen Optik müssen die Kosten der Umwelt internalisiert werden. Die Klimadiskussion darf nicht dazu missbraucht werden, das System der freien Marktwirtschaft und die bestehende Rechtsordnung zu hinterfragen. Auf der Webseite der HAW (Tag: Klimadebatte) und in den sozialen Medien finden sich diverse Beiträge lokaler Firmen, wie diese unternehmerisch und eigenverantwortlich, sowie sorgfältig und nachhaltig mit den natürlichen Ressourcen umgehen. Diese Beispiele belegen, dass die Marktwirtschaft sowie innovative Technologien bessere Lösungen und Konzepte auch für Umweltfragen bieten.

Politische und finanzielle Situation in Winterthur geben Anlass zur Sorge.
Seit 2018 hat Winterthur keine bürgerliche Mehrheit mehr, weder im Stadtrat noch eine im Gemeinderat. Das Leben in Stadt und Region pulsiert vordergründig. Seit den Wahlen haben sich allerdings die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusehends verschlechtert. Anwander kann sich an keinen Entscheid der Winterthurer Politik in den letzten 18 Monaten erinnern, welcher nachhaltig dazu beigetragen hätte, dass Winterthur für Unternehmen attraktiver geworden wäre und so Grundlagen für neue Arbeitsplätze  und eine Steigerung des Wohlstands in der Zukunft geschaffen hätte. In der Diskussion zur Parkplatzverordnung haben wir gelernt, welche Parteien für die Interessen der Unternehmen nur in den Wahlprospekten einstehen und auf welche Gemeinderäte und Gemeinderätinnen man sich wirklich verlassen kann.

Grosse Sorgen machen der HAW die Finanzperspektiven der Stadt Winterthur: das Budget 2020 ist eine Mogelpackung, weil einerseits CHF 8 Mio. aus der Betriebsreserve der Parkhäuser entnommen werden sollen und andererseits Mehrerträge von ca. CHF 20 Mio. aus Höherbewertungen von städtischen Liegenschaften im Finanzvermögen eingeplant wurden. Andererseits steigen die Ausgaben massiv an, nicht nur für Soziales und Bildung sondern in allen Departementen. Die aufgebauten Strukturen werden immer teurer und als Konsequenz geht der Finanzplan 2021 bis 2023 von massiven Defiziten aus. Ohne Gegensteuer drohen Steuererhöhungen. Obwohl gemäss HRM 2 offenbar vorgeschrieben, ist das Verbuchen der Wertsteigerungen von Immobilien (wohlhervorgerufen durch die Anwendung eines tieferen Kapitalisierungssatzes) in der Erfolgsrechnung ein Unsinn. Ändert sich das Zinsniveau, drohen dann entsprechende Wertberichtigungen auf dem Immobilienbestand.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Budget 2020 bereits ohne diese Sondereffekte ein deutliches Defizit ausweist. Wir erwarten von den Gemeinderäten, dass sie von ihrer Budgetkompetenz nun aktiv Gebrauch machen und dafür sorgen, dass der Finanzhaushalt der Stadt nicht aus dem Lot fällt und insbesondere Steuererhöhungen vermieden werden. Gefragt ist nun nicht primär Mikromanagement, sondern vielmehr das Festlegen finanzieller Leitplanken sowie das aktive Bewirtschaften der Globalbudgets. Es kann nicht sein, dass seit Jahren bekannte Kostentreiber nicht angegangen werden, die Verschuldung der Stadt trotz Schuldenbremse ansteigt und im Budget 2020 mit einem Gewinn gerechnet wird, obwohl ohne einmalige Sondereffekte ein Millionenverlust ausgewiesen wird.

PAWI zeigt, dass Verpackung mehr als Abfall ist
Nach einer kurzen Einführung durch Thomas Anwander begrüsst Andreas Keller als Hausherr und Gastgeber die Anwesenden. Er setzt sich zum Ziel zu zeigen, dass Verpackung mehr als Abfall ist und die HAW-Mitglieder mit dem "Verpackungsvirus" zu infizieren.

1960 als Papierwarenfabrik Winterthur gegründet, feiert die Firmengruppe im nächsten Jahr ihr 60. Jubiläum. Sie produziert seit 1974 am heutigen Standort mitten in der Stadt und beschäftigt in Winterthur und dem zweiten Werk in Singen gut 250 Mitarbeiter/innen aus 25 Nationen. 14 Lernende werden in 4 verschiedenen Berufen ausgebildet. Produziert wird - z.T. im 2- und 3-Schichtbetrieb - primär für die Nahrungsmittelindustrie, v.a. im Back- und Süsswarenbereich. Die Firma unterhält mit der Gleis 1 AG auch eine eigene Agentur, welche die Kunden mit Webshop, Webauftritt bis zum Verpackungsdesign unterstützt, sich und ihre Produkte zu präsentieren. Die Verpackungsindustrie ist eine wettbewerbsintensive Branche, die konstant unter Importdruck steht. Alleine dieses Jahr verloren 3 Mitbewerber ihre Selbständigkeit. Andreas Keller fokussiert in seinen Ausführungen auf die Herausforderungen eines Verpackungsherstellers in der Schweiz und auf die Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Zukunft.

Strategie
PAWI besteht, dank einer klaren Strategie, die umgesetzt wird, wie der Chef betont. Seit der Gründung wurden alle paar Jahre Ausbauprojekte verfolgt und Firmenübernahmen getätigt. PAWI produziert auch für den Export und ist seit 2008 erfolgreiches Mitglied im internationalen Verpackungsverband. PAWI verfolgt die Vision, innovativ mit Sinn und im Einklang mit Mensch und Natur zu verpacken. Als Mission gilt, dass Verpackungen begeistern, die Menschen informieren und das Produkt schützen und diese aus sicheren auch für kommende Generationen nachhaltigen Rohstoffen hergestellt werden. Das Angebot des Unternehmens deckt eine breite Wertschöpfungskette vom Design über die Produkte bis hin zu einer kundenorientierten Lagerlogistik ab. PAWI entwickelt einzigartige Lösungen für einen erfolgreichen Markenauftritt des Kunden. Keller spricht im Zusammenhang nicht nur von Produkten sondern ‚Ser_Dukten’. Der Service wirkt vom Design der Verpackung bis in den Mund. Eindrücklich sind auch die Werte, welche verfolgt werden. Alle Mitarbeiter gestalten die Unternehmenskultur selber, jeden Tag, im Umgang mit Kunden, Partnern und im Team. Kundenorientierung, Begeisterung und Verlässlichkeit sind PAWI’s Augenmerk.

Herausforderungen
Auf Basis eines beindruckenden Radars erklärt Andreas Keller, wie Themen und Trends beobachtet werden, wie man sich mit diesen befasst und welche letztendlich welche angepackt werden.

PAWI fokussiert auf Nachhaltigkeit und beachtet immer die ganze Wertschöpfungskette. Die Schattenseiten von Abfall kennen wir alle. Die Gespräche der Verkäufer haben sich in der letzten Zeit gewandelt. Über die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit muss nicht mehr zuerst diskutiert werden. PAWI engagiert sich für eine geringe Umweltbelastung von der Energieversorgung über die Produktion bis hin zur Entsorgung und ist vielfach zertifiziert. Die Firma hat eine eindrückliche Organisationsentwicklung hinter sich. Über mehrere Jahre wurde das Projekt 'wir alle' entwickelt. Durch Selbstorganisation wurde der Unternehmergeist mit allen Mitarbeitern/innen geweckt, eine agile Organisation geschaffen und die Arbeitgeberattraktivität gesteigert. Durch Sinn-Verständnis können in einem organisierten Prozess alle mitentscheiden, aber auch Mitverantwortung tragen. Die neue Kultur äussert sich z.B. in der Abkehr von klassischen Organigrammen, durch die Einführung von offenen GL-Sitzungen, öffentlichen Protokollen oder konsequenterweise der Veränderung der  Erfolgsbeteiligung aller Mitarbeiter/innen. In der Priorität nimmt auch die Digitalisierung eine zentrale Rolle ein. Die Firma hat deutlich investiert, 2 Personen in den VR berufen und eine starke IT-Abteilung aufgebaut. Letztere muss das operationelle sicherstellen und laufend Abläufe optimieren. Wo es Standards gibt, sollen diese übernommen werden, wo nicht wird selber entwickelt. Die innovative IT soll schnell neue Technologien entwickeln, rasch an den Markt gehen und dann Verbesserungen initiieren. 

Pac-Designer
Als Beispiel einer innovativen IT-Entwicklung wird der eigene Webshop erwähnt. Im B2B-Geschäft sind White Labellings bei Produzenten im Einsatz. Kunden können so bereits ab 25 Produkten den Pac-Designer nutzen und sogar das Layout selber erstellen (oder sich je nach Bedarf und Möglichkeiten unterstützen lassen.) Nach einer Demonstration des Pac-Shops zeigt der PAWI-Kunde Peter Lyner, wie er die Dienstleistung von PAWI nutzt und den Webshop in seiner Bäckerei Konditorei eingebunden hat. Keller und Lyner bezeichnen dies als Win Win für beide Winterthurer Unternehmen. 

Interessiert und mit dem Verpackungsvirus infiziert, wurden die Teilnehmer im Anschluss in 7 Gruppen durch die PAWI-Produktion geführt. Die Motivation und Offenheit der in Schicht arbeitenden Mitarbeiter/innen und die klare Linie der Firma wurden offenkundig. Beim abschliessenden Apéro Riche wurde noch lange diskutiert und auf den Heimweg überreichte Peter Lyner allen Teilnehmern seine neu kreierten Winti Leuen. Vielen Dank.

Herzlichen Dank an PAWI für den interessanten Abend und die Gastfreundschaft!

Ralph Peterli, Geschäftsführer HAW

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