
Félix Vallotton: «Illusions perdues»
Félix Vallotton wurde am 28. Dezember 1865 in Lausanne geboren und verstarb am 29.Dezember 1925 in Neuilly-sur-Seine bei Paris. In den 1880er Jahren studierte er an der Académie Julian in Paris und startete sein «Livre de Raison», in welchem er seine Werke chronologisch verzeichnete. Im Laufe seiner künstlerischen Laufbahn schuf er rund 1700 Gemälde, mehr als 200 Holzschnitte, Zeichnungen und einige wenige Skulpturen. Zudem war er als Schriftsteller tätig. Sein bekanntester Roman, den er 1905 publizierte, trägt den Titel «La vie meutrière».
Vallottons Todestag jährt sich heuer zum hundertsten Mal, weshalb verschiedene Schweizer Kulturinstitutionen unter dem Label «Année Vallotton» den bedeutenden schweizerisch-französischen Künstler mit Ausstellungen und Veranstaltungen feiern.
Félix Vallotton studierte an der Académie Julian Maler. Dort lernte er Pierre Bonnard, Ker-Xavier Roussel, Edouard Vuillard und weitere Gleichgesinnte kennen, welche sich 1888 zur Künstlergruppe Nabis zusammenschlossen. Vallotton etablierte sich schnell in der Pariser Kunstszene – nicht etwas als Maler, sondern als Erneuerer des Schwarzweissholzschnittes. In seiner berühmten Serie «Les intimités» führt er – inspiriert durch Stücke von Ibsen und Strindberg, die damals en vogue waren – die Fallstricke einer Liebesbeziehung vor. Die mit Skepsis und Ironie gewürzten Blätter fanden um 1900 ihre Fortsetzung in der Malerei. In Werken wie «La chambre rouge» oder «L’attente» sind die Bildgegenstände stumme Zeugen von Heimlichkeiten und zugleich Requisiten eines gemalten Dramas. Ein Spiel mit Vorder- und Hintergründigkeit trieb Vallotton auch im grossformatigen Bild «Le repos des modèles» aus dem Jahr 1905, das bereits 1909 von Hedy und Arthur Hahnloser erworben und gegenüber ihren puritanischen Verwandten verteidigt werden musste – wie schon ihre erste Vallotton-Erwerbung «Baigneuse de face», welche ein Jahr zuvor Eingang in die gutbürgerliche Villa fand. Im Hintergrund des Bildes ist das Porträt seiner Eltern zu erkennen.
1909 fand in Zürich eine Vallotton-Ausstellung statt, zu der jungen Frauen der Zutritt verwehrt wurde. Die Akte, die Félix Vallotton malte, haben es tatsächlich an sich: Sie zeigen ungeschönte, oft reife, fleischliche Frauenkörper. Die halbwelke blaue Blume im bereits erwähnten Bild «Le repos des modèles» steht programmatisch für den Verlust der Jugend und der Illusionen. Vallottons Akte wirken fast hyperrealistisch und doch überzeichnet. Bei aller Modernität erkennt man bei Vallotton eine bewusste Bezugnahme zur kunstgeschichtlichen Tradition: beispielweise zu Jean-Auguste-Dominique Ingres’ Odalisken, zu Edouard Manets «Frühstück im Freien» und zu dessen berühmten, skandalösen «Olympia» aus dem Jahr 1863, welche Nacktheit mit Käuflichkeit verbindet. Félix Vallotton nahm Manets Neuinterpretation von Tizians «Venus von Urbino» genau fünfzig Jahre später zum Ausgangspunkt, um sein enigmatisches Meisterwerk «La blanche et la noir» zu schaffen. Die Rollen sind hier neu verteilt. Die Schwarze, einst Dienerin, hockt auf der Bettkante und raucht genüsslich eine Zigarette, während die Wangen der liegenden Weissen sichtlich glühen. Die ganze Szene spielt sich vor giftgrünem Hintergrund ab. Abgesehen vom fahlen Hautton der Akte zeichnet sich Vallottons Malerei – insbesondere in den gestochen scharfen Stillleben und in den magischen Landschaften – durch eine satte bis knallige Palette aus. Diese erreicht ihren Höhepunkt in seinen unübertroffenen Sonnenuntergängen, wo die Farben holzschnittartig aufeinanderprallen, so dass die Romantik in Ironie kippt.
Text und Bild: Lucia Angela Cavegn
12.4. – 7.9.2025 | Reinhart und Villa Flora
Kunst Museum Winterthur│Reinhart am Stadtgarten
Stadthausstrasse 6
8400 Winterthur

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