01.06.2020

Corona: Beendigung der a.o. Lage

COVID-19 hat nicht nur diverse Gesundheitssysteme an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht, sondern führte auch zu einer veritablen Wirtschaftskrise, deren Folgen heute noch nicht abschätzbar sind. Krisen, wie eine weltweite Pandemie haben das Potential, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Systeme zu verändern. Krisen sind aber auch Chancen für Innovationen und für neue wirtschaftliche und politische Modelle.

Nach fast 3 Monaten Notrecht beendet der Bundesrat die ausserordentliche Lage und beschliesst weitere Lockerungen. Ich bin überzeugt, dass offene, transparente und auf Vertrauen basierende Systeme die Pandemie besser bewältigt haben als autoritäre Systeme, die kritische Fragen und Diskussionen nicht zulassen. Pandemien und Krisen werden auch nicht durch Verschwörungstheorien, Populismus oder übersteigerte Staatsgläubigkeit bewältigt, sondern durch faktenbasiertes Wissen, einem Trial and Error Ansatz und der Eigenverantwortung von Personen, Unternehmen und Institutionen.

Überlegungen aus Sicht der HAW für Winterthur
Der Lock Down hat gezeigt, dass der Verzicht auf Konsum weder das Klima rettet noch soziale Gerechtigkeit schafft. Der ÖV hat an Attraktivität verloren und Parkplätze werden plötzlich systemrelevant. Aber wir alle haben die bessere Luft genossen und das Fahren mit dem Fahrrad wieder entdeckt v.a. mit dem E-Bike. Das heisst, dass wir eine Verkehrsplanung brauchen, die eher mehr Velorouten als einen Ausbau des ÖV vorsieht, aber auch den Erhalt aller bestehender Parkplätze. Der Autoverkehr wird zukünftig allerdings elektrisch sein, womit wir weniger Lärm und bessere Luft in Winterthur haben werden.

Cluster-Initiative als Chance für Winterthur
Homeoffice war für viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine neue positive Erfahrung, auch wenn Homeoffice nur im Bürobereich wirklich funktioniert. Homeoffice war möglich dank der Digitalisierung und diese wird noch weiter an Bedeutung gewinnen. Damit Winterthur bei diesem Thema nicht ins Hintertreffen kommt, braucht es weitere Anstrengungen auf allen Ebenen. Die von der HAW, House of Winterthur und dem Technopark Winterthur lancierte Clusterinitiative ist ein guter Ansatzpunkt dazu. Gemeinsam wollen wir die drei Cluster Smart Machines, Smart Health und Smart Energy mit voller Kraft weiterentwickeln. Wir hoffen und erwarten, dass der Kanton diese Bestrebungen mit der Schaffung von zusätzlichen Dozentenstellen für diese Themen an der ZHAW unterstützt und auch, dass weitere Fördermittel in die Region fliessen.

So wichtig und wertvoll die Unterstützung der einzelnen Branchen durch den Staat war, muss diese Hilfe auch wieder ein Ende finden. Was wir nicht brauchen, ist ein Seuchensozialismus und ein Vergesellschaften aller Risiken. Unternehmertum heisst, Chancen und Risiken selber zu tragen, dies gilt auch für den Freizeit- und Eventbereich. Vielleicht hat COVID-19 zur Konsequenz, dass nicht mehr jede liebgewonnene Veranstaltung weiterhin stattfindet oder allenfalls in neuen Formen. Speziell gefordert wird auch der Detailhandel sein: viele Konsumentinnen und Konsumenten haben während des Lock Down das Online Shopping erst so richtig entdeckt. Was heissen diese Entwicklungen für die Attraktivität der Altstadt und für die weitere Stadtentwicklung? Werden gewisse Einkaufszentren obsolet und brauchen wir dafür flexiblere Öffnungszeiten oder neue Ansätze in der Stadtplanung?

Noch nie haben so viele Leute Kurzarbeit geleistet. Viele Angestellte in der öffentlichen Verwaltung haben wahrscheinlich erstmals richtig realisiert, was es heisst einen sicheren Arbeitsplatz zu haben und selbstverständlich 100% des Lohns zu erhalten, während Kolleginnen und Kollegen in der Privatwirtschaft aufgrund der Kurzarbeit Lohneinbussen in Kauf nehmen müssen. Ich erwarte schon, dass die Politiker bei der nächsten Lohnrunde bei Stadt und Kanton sich dieser Situation erinnern.

Aufgaben und Prozesse überprüfen, um Schulden abzubauen
Der Staat hat sich zur Bewältigung der Corona Krise auf allen Ebenen stark verschuldet. Der Abbau dieser Schulden muss nun intelligent erfolgen. Völlig kontraproduktiv ist es, nun höhere Steuern einzuführen. Eine höhere Steuerlast vermindert automatisch die Ausgaben und Investitionen von Privaten und Unternehmen, da ihr verfügbares Budget gemindert wird. Vielmehr ist die Corona Krise eine Chance, sich zu überlegen, ob alles was der Staat macht wirklich notwendig ist, ob Abläufe effizienter gestalten werden können, ob es wirklich alle bestehenden Stellen braucht oder ob solche in anderen Bereichen aufzustocken sind. Diese Fragen müssen sich auch Stadt- und Gemeinderat stellen, denn auch im städtischen Haushalt wird die Corona Krise grosse Spuren hinterlassen.

Thomas Anwander
Präsident Handelskammer und Arbeitgervereinigung Winterthur

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