03.12.2025 | Lucia Angela Cavegn
Ausstellung «LANGEZEIT: Olivia Etter, Peter Lüthy, Katharina Rapp, Erna Weiss»
Gibt es in unserer auf sofortigen Konsum und Kommunikation ausgerichteten Welt noch die «lange Zeit» – jene Zeit des Wartens, Wachsens, Reifens, Nachdenkens und Sehnens? Im Zeitalter der Klicks und Fingertipps scheint die Redewendung „Gut Ding will Weile haben“ in Vergessenheit geraten zu sein, ebenso die Erkenntnis, dass Dinge mit der Zeit an Tiefe und Bedeutung gewinnen.
Ein Gegenpool zur Schnelllebigkeit bilden derzeit die oxyd Kunsträume. Wer beim Güterschuppen nahe des Hauptbahnhofs Winterthur die Treppe hinuntersteigt, findet einen Ort, der in seiner urbanen Abgeschiedenheit Ruhe und Konzentration ermöglicht – eine Art künstlerische Katakombe, in der Kunst der Eigengesetzlichkeit des Schöpferischen folgt und – ungeachtet des aktuellen Diskurses – sich aus persönlicher Lebenserfahrung nährt.
Die Ausstellung «LANGEZEIT» umfasst Werke von Olivia Etter (*1956, Zürich), Peter Lüthy (*1941, Thalwil), Katharina Rapp (*1945, Winterthur) und Erna Weiss (*1952, Winterthur) – vier Kunstschaffende im sogenannten dritten Alter, das früher als Ruhestand bezeichnet wurde. Wie viele Künstler*innen arbeiten auch sie über das Referenzalter hinaus, weil Kunst eine Berufung ist. Sie beschäftigen sich mit gesellschaftlichen, existenziellen und phänomenologischen Fragen. Sie forschen in ihrem Atelier beständig nach neuen Wegen, um ihren Gedanken und Gefühlen formalen Ausdruck zu verleihen.
Wenn es darum geht, das Kunstschaffen einem Publikum zu präsentieren, so halten sich die Ausstellungsmöglichkeiten für ältere Kunstschaffende in Grenzen; der Kunstbetrieb fördert vor allem junge Positionen. Es ist den oxyd Kunsträumen daher hoch anzurechnen, dass sie mit der aktuellen von Sarah Hablützel und Sarah Mühlebach kuratierten Ausstellung diesem Umstand entgegenwirken und in ihrem fundierten Begleittext die Thematik beleuchten. Sie konstatieren, dass mit dem Älterwerden die unaufhörliche Beschäftigung mit der eigenen künstlerischen Praxis zunehmend im Verborgenen stattfinde. Dabei würden sich Werke einer späteren Lebensphase häufig durch eine gesteigerte Intensität auszeichnen.
Die aktuelle oxyd-Ausstellung besticht durch ein hohes Mass an Poesie und technischer Versiertheit. Sie lädt dazu ein, fernab des Weihnachtsrummels bewusst zu verweilen und die Kunst im Rhythmus der „langen Zeit“ zu erfahren. Was die vier Werkgruppen vereint, ist die Konzentration auf wenige, prägnante Themen wie Wandelbarkeit, Flüchtigkeit, Seinszustände, Kontinuität im Schaffen und das Stehen im Fluss der Zeit.
Olivia Etter erweist sich als fantasievolle Keramikerin. Ihre Gefässe mit surrealen Erweiterungen in Form von Fühlern und Fischschwänzen wirken verspielt und zugleich formvollendet. Zudem kreiert sie aus getrockneten Pflanzenresten geflügelte Wesen, die sie als «Etterlinge» bezeichnet. Katharina Rapp widmet sich seit Jahren dem Motiv des Hauses als Metapher für seelische Zustände von Geborgenheit bis Ausgebranntsein. Ihre Gouachen loten mit farblichen Variationen desselben, mit wenigen Strichen zu Papier gebrachten Motivs die Bildwirkung aus. In ihren Objekten manifestiert sich ihre unerschöpfliche Kreativität: Aus Tüll, Draht, Stein, Karton und anderen Materialien gestaltet sie Häuser, die Titel wie «Lufthaus», «Randständig» und «Abgehoben» tragen. Vielfalt findet man auch in Peter Lüthys Zeichnungen auf Post-it-Zetteln als Notate alltäglicher Beobachtungen sowie in seinen kleinformatigen, gerahmten Collagen, die er aus Schnipseln von Prospekten, Postkarten und anderen Drucksachen herstellt. Die grossformatigen, minimalistischen Gemälde von Erna Weiss bilden den Ruhepol dieser Ausstellung. Ihr Triptychon «rot, dreiteilig» besteht aus gefärbtem Wachs. Diesen trug sie – vorgewärmt und dadurch weich – mit einem Spachtel auf Segeltuch auf. Auch ihre weisse Tafel entstand durch intensives Arbeiten in Schichten, um eine tiefe, meditative Bildwirkung zu erzielen.
Lucia Angela Cavegn
Bis 4. Januar 2026
oxyd – Kunsträume
Untere Vogelsangstrasse 4
8400 Winterthur
Öffnungszeiten: Fr: 16–20 Uhr; Sa/So: 14–17 Uhr
Weitere Informationen unter www.oxydart.ch
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